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und schauen fern.

Ein Glück, er sagte nicht: Schaut in die Krone

Du bist Krone-Redakteur und feierst große Party. Die Stimmung ist ausgelassen. Du unterhältst dich prächtig und fühlst dich richtig wohl im Kreise deiner Freunde und Kollegen. Dummerweise haben sie beschlossen, dir für deine Verfehlungen eine Abreibung zu verpassen. Du wirst in einen Nebenraum gebracht, die Tür wird versperrt und so musst du dort den Rest des Abends verbringen, während nebenan die Feier munter weitergeht.

Und weil du in deinem 10 m²-Gefängnis vielleicht sogar nen Fernseher, ein Bett und eine schöne Aussicht aus dem Fenster hast, wissen auf der Party alle: „Das ist ja gar keine Strafe für dich. Du hast es da so schön, du würdest auch freiwillig drin bleiben (vielleicht sollten wir dich besser in den Keller, zu den Ratten…?)“.

Ja — alles was hinkt, ist ein Vergleich. Doch wie sonst soll man dem gemeinen Krone-Redakteur und -Leser eine nur ansatzweise Vorstellung vermitteln, was Gefängnis bedeutet? Dass die Strafe nicht in möglichst menschenunwürdigen Haftbedingungen besteht, sondern in der Isolation vom Leben da draußen. Im Entzug der Freiheit. Der Freiheit, zu gehen, wohin man will. Zu sehen und zu spüren, jene, die man liebt. Zu tun und zu lassen, was man gedenkt. Und das nicht an einem einzigen, launigen Party-Abend, sondern über Monate, oft Jahre hinweg.

Keine Sorge, wir wollen jetzt nicht sozialromantisch das Leid verklären, von Menschen, die nur ihre gerechte Strafe erfahren — aber vielleicht doch einen kleinen Ausgleich schaffen und einen etwas entzerrten Blick auf Beschreibungen wie jene in der letzten Sonntags-Krone:

Luxus hinter Gittern
Willkommen im schönsten Gefängnis der Welt. „Hier in Leoben bleibt man freiwillig“, sagen die Täter. Ihre Opfer müssen meist viel mehr leiden.

[…] die Justizanstalt Leoben in der Steiermark sieht nicht aus wie ein Gefängnis, sie sieht aus wie ein Vier-Sterne-Wellnesshotel mit Wohlfühlcharakter. Hier spielen Kinderschänder gegeneinander Tischfußball, hier borgen sich Drogendealer in der Bibliothek Bildbände aus, hier genießen Serienvergewaltiger auf der Sonnenterrasse ein bisschen die Frühlingsluft.

Quelle: https://www.krone.at/krone/S32/object_id__188802/hxcms/index.html

Man hat entweder viel richtig oder viel falsch gemacht, wenn die ganze Welt nach Leoben blickt. Wenn selbst Brasilien ein Fernsehteam in die Steiermark schickt. Wenn das „Times Magazine“ die edle Architektur lobt. Wenn Georgier im Internet mit den Fotos Kriminelle anwerben: „In Leoben bleibt man freiwillig, da bricht man nicht aus.“

Quelle: https://www.krone.at/krone/S32/object_id__188802/hxcms/index.html

Ob kinderschändende, serienvergewaltigende Drogendealer zur repräsentativen Stammbelegung der JVA Leoben gehören, die vorwiegend für U-Häftlinge und Kleinkriminelle konzipiert wurde, wissen wir nicht. Aber das „Luxus“-Gefängnis erregt die Krone offenbar so sehr, dass sie es, dreieinhalb Jahre nach ihrem ersten Bericht, nun aufs Neue ins Blatt hebt. Ohne neue Erkenntnisse zwar, aber dafür groß auf einer Doppelseite aufgemacht, als „Die Reportage“.

Am 25.08.06 waren es allerdings noch nicht „die Täter“, denen in den Mund gelegt wurde, hier bliebe man freiwillig. Auch gab’s noch keine dubiosen „Georgier im Internet“, die angeblich Kriminelle mit zufällig den gleichen Worten werben. Damals schrieb die Krone dieses Zitat noch einer harmlosen georgischen Website zu, die die JVA ironisch mit einem Hotel verglichen haben soll. Wie übrigens auch einige andere Websites und Foren es weltweit taten — aber das soll nicht unseren angstschweren Blick auf die finsteren Georgier trüben.

Als kleinere Seitenfüller der Reportage dienen zwei weitere Anstalten, die etwas arg bemüht auch ihr Luxus-Fett abkriegen. Vielleicht um eine Art System im österreichischen Luxus-Strafvollzug zu belegen. So wird das „Landl“ in der Wiener Josefstadt zum „Gourmet-Paradies“ erkoren. Steht da wirklich, wörtlich so! Weil es Menüs für unterschiedliche Bedürfnisse anbietet. Unter uns, das tun auch andere Haftanstalten, Graz-Karlau zum Beispiel. Auch wenn also im „Landl“ der ultimative Gaumenkitzel lockt, warten wir vor dem Bankraub lieber noch das Urteil der Haute Cuisine ab. Manchmal sagt eine Haube mehr als eine Krone.

Ja, und die Justizanstalt Favoriten, in der Drogensüchtige entwöhnt werden, bei notorischer Überbelegung, aber laut Krone immerhin „offenen Türen“ (des öfteren auch Pulsadern, aber das passte wohl nicht in „Die Reportage“), die ist sicher auch ein bislang schwer verkannter Hort des Luxus, in den man sich gerne zurückzieht um sich von seinen Raubzügen zu erholen.

Quelle: https://www.krone.at/krone/S32/object_id__188802/hxcms/index.html

Er möchte dennoch „keinen Tag eingesperrt sein“, darf ein JVA-Beamter aus Leoben den Luxus-Spuk dann doch noch etwas relativieren — in der ihm gewährten Zweifragen-Interviewzelle.

Die treffendste Antwort hätte aber ohnehin schon das von der Krone angeführte, leider nicht weiter berücksichtigte, Times Magazine in seinem lesenswerten Artikel gegeben:

Jeder [der die Bilder aus Leoben sieht] sagt — so oder ähnlich: „Ich glaube, Verbrechen lohnt sich doch.“ […] Oder: „Vielleicht sollte ich nach Österreich ziehen und ein paar Banken ausrauben.“ Das ist eine absolut nachvollziehbare Reaktion, dennoch aber auch töricht und falsch — in etwa so vernünftig, als würde man einen neuen Spitalstrakt betrachten und sagen: „Wow, ich wünschte ich hätte Krebs.“

Laut Times komme der menschlichere Strafvollzug übrigens auch jenen sehr zugute, die dort — manchmal tatsächlich lebenslang — ihren harten Dienst versehen. Und vielleicht sollten wir auch nicht vergessen, dass „die“ fast alle irgendwann wieder raus kommen. Wetten, auch der Krone-Autor wünschte sich — wenn’s unvermeidbar wäre — als Nachbar lieber einen „Ehemaligen“ aus dem Musterstrafvollzug, als aus dem Kerker seiner Träume?

Schließen wir mit Fjodor Dostojewski den Kreis zum Titel der Geschichte:

«Den Grad der Zivilisiertheit einer Gesellschaft kann man beurteilen, wenn man in ihre Gefängnisse schaut.»

Luxus hinter Gittern

"Heute" läuft die Zeit davon
Kein Uber-Bingo für die APA

7 Kommentar(e)

iji - Am 09. March 2010 um 11:13

Die Vergleiche in diesem Artikel hinken ganz gewaltig. Man darf nicht vergessen: In Österreich sitzt niemand aus Willkür oder unverschuldet hinter Gittern. Und im Gegensatz zu Krebs ist es auch kein unvermittelter Schicksalsschlag, der einen trifft, wenn man im Gefängnis landet. Strafvollzug ist, wie der Name schon nahelegt, die gerechte Strafe(!) für eine begangene kriminelle Handlung.

Natürlich muss ein Strafvollzug unter menschenwürdigen Bedingungen stattfinden und natürlich ist der Krone-Artikel arg einseitig verzerrt. Aber ich sehe dennoch nicht ein, warum Geld in solche Bauten wie Leoben mit Fernsehlounges und Fitnesscentern gesteckt wird, während junge Menschen beim Bundesheer in baufälligen Bruchbuden hausen müssen – die im Gegensatz zum Sträfling wirklich unverschuldet dort gelandet sind.

Richard - Am 09. March 2010 um 13:19

@iji: „Freiheitsentzug“, das ist die Strafe die für kriminelle Handlungen vergeben wird. Wie es im Text übrigens auch steht. Und im Übrigen können nur Menschen, die noch nie tatsächliche Erfahrungen mit Gefängnissen gemacht haben, der Meinung sein, dass ein paar Trainingsgeräte und ein Fernseher das Haftübel zu einem Urlaub umwandeln würden.

Dein Vergleich mit den Kasernen ist auch nicht angebracht. Oder glaubst du tatsächlich, das Bundesheer bekommt weniger Geld wenn irgendwo in Österreich ein Gefängnis mit Fernsehern und Trainingsgeräten ausgestattet wird?

iji - Am 09. March 2010 um 14:33

@Richard: Lies bitte nochmal meinen Kommentar und sag mir bitte, wo ich die implizite Aussage mache, dass „ein paar Trainingsgeräte und ein Fernseher das Haftübel zu einem Urlaub umwandeln würden“

Und auch wenn es nicht so ist, dass das Bundesheer mehr Geld zur Verfügung hätte, wenn es nicht in diese JVA geflossen wäre – Was ist das bitte für ein Signal an Leute, die ihren Wehrdienst leisten müssen? Eine JVA hat menschenwürdig und zweckmäßig eingerichtet zu sein, nicht mehr, nicht weniger.

Richard - Am 09. March 2010 um 14:49

@iji: M.M. nach ist das implizit in deinem Vergleich mit den Kasernen. Indem du sagst, dass Gefängniss zwar menschenwürdig sein müssen, Fernsehlounges und Fitnessgeräte aber unnötig sind, sagst du ja implizit aus, dass ein Gefängnis wie Leoben, das beides bietet, mehr Komfort bietet als du’s Gefängnisinsassen zugestehen willst.

Zu den Kasernen: Richtig, da geht’s um Geld, das vom Heer nicht in diese Gebäude gesteckt wurde. Das Signal, das da dann gesendet wird, hat einfach nichts mit einer JVA zu tun.

Hans Kirchmeyr
Hans Kirch​meyr (Autor) - Am 09. March 2010 um 17:19

@iji
Was die Kosten betrifft. Es ist gar nicht so viel teurer, ein neues Gebäude (das nebenbei auch Jahrzehnte „halten“ soll, was Struktur und Einsatzzweck anbelangt) nach den Standards von 2010 zu bauen, statt jenen von 1950.

Und denkst du wirklich, ein Strafvollzug, in dem sich die Gefangenen aus Frustration regelmäßig die Köppe einschlagen, randalieren oder auch nur anderweitig auffällig werden und das Personal sein Heil in Frührente und explodierenden Krankenstandszeiten sucht, käme uns volkswirtschaftlich billiger? Glaubst du, das Ministerium wollte hier nur nett zu Verbrechern sein und es wurden die verschiedenen Optionen nicht in Wahrheit genau mit den zu erwartenden Kosten über die Laufzeit des Gebäudes gegengerechnet?

Lasst uns doch nicht naiv sein. So nett das Gebäude aussieht, es ist das Ergebnis einer erwarteten volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Bilanz. Anders wäre der Bau so nie durchgegangen. Und ich freu mich ganz ehrlich in erster Linie fürs Personal, dass es dort unter etwas weniger frustrierenden und weniger gefährlichen Bedingungen seinen Dienst versehen kann.

Johannes Kleinrath - Am 10. March 2010 um 00:17

Gefängnisse sollten ja abgesehen von der Strafe die die Leute dort absitzen müssen so konzipiert sein, dass nach dieser Zeit eine Eingliederung in die Gesellschaft möglich und wahrscheinlich ist.
Menschen die in einem „Luxusgefängnis“ ihre Strafe abbüßen sind nachher wohl eher wieder in ein normales Leben zurückzuführen.

angelika pilgrammer - Am 18. May 2010 um 12:26

Ich kann nur dazu sagen das sämtliche diskussionen was den artikel der „krone“ anbelangt, um sonst sind! sollte jemand glauben das es diesen gefangenen „wirklich“ gut geht nur weil sie nicht auf kaputten matratzen schlafen müßen, dann soll er mal über monate bzw. jahre hinweg auf ein paar m², 23 stunden täglich ( 1 Std. darf man(n) aufs dach) in dieser „luxus“ zelle hocken. wäre neugierig wie es ihnen gefallen würde von ihrer familie , ihren liebsten getrennt zu sein. sicher nicht ohne berechtigung, aber trotzdem sollte keiner das recht haben über diese männer zu urteilen, denn es sind nicht nur „schwere“ jungs drinnen. manche zb. sitzen sechs monate oder länger wegen schulden oder „kleinen“ kapitalsdelikten. ich möchte nichts schön reden, ich möchte sie nur bitten nicht so engstirnig zu sein und alle seiten zu bedrachten!!!!!!!!

MfG