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Das Drogenproblem von „Heute“

Dass manchen Redakteuren die Grenzen zwischen Gefundenem und Erfundenem nicht so wichtig ist, hatten wir ja erst kürzlich. Diesmal versucht sich „Heute“ daran, aus einem Artikel der „Presse“ über die angebliche Drogenszene bei der U6-Station Josefstädter Straße eine Panikmeldung für einen ganzen Bezirk (an dessen äußerstem Rand die U-Bahn-Station liegt) zu machen:

„Heute“, 25.5.2011, S. 16


Besonders spannend scheint, dass sich „Heute“ beim Zusammenfassen des Presse-Artikels nicht die Mühe gemacht hat, auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen der „Josi„, dem Tageszentrum für Obdachlose im Bildhintergrund, und der Ansiedelung der Suchtgiftszene hinzuweisen.

Geht man davon aus, dass der typische „Heute“-Leser damit schon überfordert wäre?

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9 Kommentar(e)

Michael S - Am 30. May 2011 um 15:12

Fehlerteufel:
*Dass statt Das (erstes Wort)
*Josefstädter statt Josefstäder
*Ansiedlung statt Ansiedelung

Jan - Am 30. May 2011 um 15:19

Fehlerteufel 2:
*Suchgiftszene = Suchtgiftszene
*in Bildhintergrund = im Bildhintergrund
*Komma nach Bildhintergrund wegen Apposition

martin - Am 30. May 2011 um 15:26

1. „Die Josefstadt hat ein Drogenproblem“ steht schon so verallgemeinernd im presse artikel, das in der Zusammenfassung zu differenzieren ist einem Heute Journalisten nicht zuzumuten.
2. die Polizei scheint von Josi nix zu wissen, oder im gegensatz zu euch keinen Zusammenhang mit Josi zu sehen (Zitat aus dem presse artikel: „Wieso es Teile der Szene nun ausgerechnet in den achten Bezirk zieht, kann sich die Polizei nicht erklären.“) So gesehen, sollten wir auch froh sein dass Heute (im gegensatz zu euch) diesen zusammenhang weder gefunden noch erfunden 😉 hat.
3. waers interessant ob es das erwaehnte Heute-gespraech mit Mickel wirklich gegeben hat.

Helge Fahrnberger - Am 30. May 2011 um 16:20

@Michael & Jan: Thx, Fehler gefixed (außer Michaels Nr 3, da stimmt m.E. Ansiedelung, im Unterschied zu einer (An)Siedlung.).

@Martin: Die Unterscheidung zwischen dem „Die Josefstadt hat ein Drogenproblem (nämlich an der Ubahn-Station)“ der Presse und „Josefstadt -> Drogenbezirk“ ist jedem Redakteur zuzumuten.

Zu deinem Punkt 2: Die Polizei weiß lediglich nicht, warum sich die Szene gerade vors Josi verlagert hat, aber der Zusammenhang mit dem Josi als Ort kommt aus dem Artikel klar hervor: „Die Süchtigen, oft 30 bis 40, sind zwar immer noch da, aber tagsüber hat man zumindest die Dealer dank der Anwesenheit der Polizei vertrieben. Als Aufenthaltsort hat sich der Platz vor dem „Josi“, einem Tageszentrum für Obdachlose, entwickelt.“

martin - Am 30. May 2011 um 17:54

@Helge: zu meinem ersten Punkt: Du hast natuerlich recht, ein Problem an einer UBahnstation ist was anderes als ein Drogenbezirk (wenn man von einem Drogenbezirk dann ausgeht, wenn dort an jeder strassenecke Drogen verkauft werden). Eine Zeitung (bzw ihre Redakteure) wie Heute verwendet naturgemaess eine andere Definition, nach der es dort wo es ausschliesslich ist, dann halt „besonders schlimm“ ist. Ich finde keineswegs dass das gut oder wuenschenswert ist, aber ich will die armen HeuteRedakteure eben nicht intellektuell ueberlasten, daher will ich es ihnen nicht zumuten (was jetzt hoffentlich so sarkastisch klingt wie es gemeint ist).

zu meinem zweiten Punkt: vielleicht haette ich „(im Gegensatz zur Presse und euch)“ schreiben sollen. Wobei das der Presse gegenueber unfair waere. Wenn ihr naemlich von einem „wesentlichen Zusammenhang zwischen der Josi … und der Ansiedelung der Suchtgiftszene“ schreibt, dann geht ueber die Feststellung „als Aufenthaltsort hat sich der Platz vor dem Josi entwickelt“ (wie sie in der Presse gemacht wird) deutlich hinaus und suggeriert eine Kausalitaet (wo die Polizei keine sieht). Urspruenglich wollte ich eigentlich nur darauf hinweisen dass es vielleicht gar kein Nachteil ist wenn Heute nicht gegen Einrichtungen wir das Josi Panik macht. Nachdem ich nun den Kobuk-Kommentar nochmal gelesen habe bin ich mir nun sicher dass ihr den (kausalen) Zusammenhang a la „Obdachlose nehmen doch alle Drogen“ hier ERfunden habt, ich hab ihn naemlich weder in Presse noch in Heute GEfunden.

Helge Fahrnberger - Am 30. May 2011 um 18:45

@Martin: Der kausale Zusammenhang besteht (hier und in der „Presse“) m.E. lediglich zwischen dem Ort und dem Josi, sicher aber nicht à la “Obdachlose nehmen doch alle Drogen”. Im Gegensatz zur Presse und zur Polizei ist sich dieser Artikel (und auch ich) nicht ganz so sicher, ob die Grundaussage überhaupt stimmt, darum das „angeblich“ vor „Drogenszene“. Ich komme regelmäßig (auch nachts) am Josi vorbei und abgesehen von (sehr viel) Alkohol hab ich noch nie was von Drogen bemerkt, im Gegensatz zum Karlsplatz. Aber keine Ahnung, vielleicht stimmt es ja. Dass „Heute“ nicht gegen das Josi hetzt, finde ich natürlich auch gut. Hängt vielleicht damit zusammen, dass man die Hand, die einen füttert (Stadt Wien) nicht beißt.

Michael - Am 30. May 2011 um 23:42

Zudem liegt der übliche Treffpunkt der Obdachlosen (und wahrscheinlich auch der Junkies) auf der Äußeren Gürtelseite, demnach im 16. Bezirk und der Artikel ist schon an sich falsch, weil er heißen müsste: „Wird Ottakring zum neuen Drogenbezirk?“

Das wär aber nicht so der Burner gewesen, weil das von Ottakring wahrscheinlich eh jeder jetzt schon vermutet. Oder es war aus der Josefstädter Bezirksvertretung für „Heute“ einfach jemand verfügbarer, als aus der Ottakringer.

Marc Christian Halper (Autor) - Am 31. May 2011 um 16:42

@Martin: In Sachen „Zusammenhang“ geht es um folgendes:

Die Josi ist nunmal eine niederschwellige Einrichtung zu deren Klienten auch (ehemalige) Drogensüchtige gehören, von denen wiederum ein paar entweder mit den Ersatzmitteln (u.a. Substitol) handeln, oder die, was mindestens genauso oft vorkommt, rückfällig geworden sind und wieder konsumieren. Beides, das kann ich als ehemaliger Sozialarbeiter für Jugendliche mit Drogenproblemen, sagen, sind Dinge mit denen jeder Betreuer rechnet und die zum Alltag in der Arbeit mit Drogenkranken schlicht dazugehören.
Nun hat sich der Handel, den es im Kleinen immer geben wird, vor der Josi offensichtlich in ein für die Anrainer unerträgliches Maß gesteigert, sodass die Bezirksvertretung sowie die Presse und Heute darauf aufmerksam wurden.
Was die Lösung problematisch macht und sicherlich auch zur Entstehung des Ganzen beigetragen hat, ist das man von Seiten der Josi für den Platz vor der Einrichtung keine Handhabe hat, es ist öffentliches Eigentum, und so fehlt den Betreuern jedes Mittel, Einfluss auf diejenigen auszuüben, die nach ihren eigenen Worten nicht zur Klientel der Josi gehören.

…und das ist der gemeinte Zusammenhang zwischen Drogenszene und Josi. Darum wird auch diskutiert, mehr Einrichtungen in Wien zu schaffen um Lokalitäten wie die Josi zu entlasten und die Szene etwas zu verstreuen und damit besser in den Griff zu kriegen.

“Obdachlose nehmen doch alle Drogen” hat da keinen Platz. Solche Verallgemeinerungen gibt’s eh genug, da müssen wir doch bestimmt nicht auch noch dort welche hineininterpretieren wo sie nie gemeint waren.

Ich werd jedenfalls beim nächsten Kobuk vorsichtiger mit meinen Formulierungen sein. 🙂

martin - Am 31. May 2011 um 17:20

@marc: Vorsichtiger Formulieren: Sehr gut! Dann sind wir uns ja einig. Dass diese Verallgemeinerung wirklich gemeint war wie ich sie ueberspitzt dargestellt habe, hatte ich zu hoffen gewagt. Allerdings sollte eben auch gerade ein Watchblog wie Kobuk bei sowas mit gutem Vorbild voran gehen (Oft genug beschwert ihr euch ja ueber Formulierungen der Zeitungen).
und nachdems eine LVA ist sollten die Absolventen derselben das dann auch ausserhalb von Kobuk beachten, selbst wenn sie mal notgedrungen fuer Heute schreiben muessen 😉

Ob mehr Einrichtungen wie Josi zu einer Verstreung der Szene fuehren bleibt abzuwarten, die Verstreung durch die „Vertreibung“ der Szene vom Karlsplatz hat ja nicht lange angehalten. Wobei ich nicht beurteilen kann ob es sich hier ueberhaupt um die „Substi“-Szene vom Karlsplatz handelt. Meinen Beobachtungen nach (in meinen TU zeiten war ich langjaehirger Karlsplatz“anrainer“) handeln die „Substi“-haendler eher untereinander und dealen im Allgemeinen nicht so offensiv mit Hasch wie es aus dem Presse artikel erscheint (soll heissen im Gegensatz zum Stadtpark ist mir am Karlsplatz nie was, also Hasch, angeboten worden). Ausser ein bisserl schnorren blieben die Leute im Karlsplatz meiner Erfahrung nach also eher unter sich, und stoeren Passanten nicht wirklich (Klar, der Karlsplatz ist nicht wirklich Wohngebiet daher lag die Schwelle des ertraeglichen dort wohl hoeher). Ich wuerde es daher durchaus fuer moeglich halten dass sich in den Abendstunden nahe Lokale bedienende Dealer der Szene als Tarnung bedienen. Aber wie gesagt ich bin nicht in Wien und kanns daher nicht ueberpruefen.

Schaden koennen mehr solche Einrichtungen in jedem Fall nicht, auch wenn es trotzdem weiterhin Leute geben wird die Drogen konsumieren oder damit handel (und manche davon werden auch weiter Obdachlose sein).