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Raubüberfälle: Dramatische Panikmache der Krone

Scheinbar exklusiv verkündet die Kronen-Zeitung am Titelblatt, was allen anderen entgangen ist: einen „dramatischen Anstieg der Raubüberfälle“ und „alarmierende Zahlen“. Die Wahrheit sieht allerdings anders aus. Und woher die Krone ihre Zahlen hat, weiß nicht einmal die Polizei.

Das Kleinformat bezieht sich im Blattinneren auf den etwas ungewöhnlich Zeitraum zwischen September 2012 und März 2013. Im Artikel räumt man ein, dass österreichweit die Zahl der Raubüberfälle zurückging. „Weniger beruhigend“ sei jedoch der genaue Blick auf die Statistik:

Um auf „700 Prozent Anstieg“ zu kommen, leistet sich die Krone einen besonderen Kunstgriff: Von weit über tausend Raubüberfällen in Österreich wird just eine Auswahl genommen, wo im Vorjahreszeitraum genau ein einziger Überfall verzeichnet wurde, nämlich Trafiken in Niederösterreich. Ausgehend von diesem einen Fall löst jede weitere Anzeige natürlich eine prozentuelle Explosion aus. Der Anstieg auf acht Überfälle gleicht dann den atemberaubenden 700 Prozent. Übrigens: 2009 erwischte es zwölf Trafiken in Niederösterreich (siehe pdf, S. 156).

Dasselbe gilt auch für andere Zahlen der Krone, etwa Raubüberfällen in Wohnungen. Besonders in Wien ein angeblich dramatisches Problem:

Obwohl die Gesamtzahl an Rauben in Wien gesunken ist, schlugen Täter in Wohnungen und Häuser 21-mal öfter zu als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

21-mal öfter? Also ein Plus von 2.100 Prozent? Nein, natürlich nicht. Die Krone meint einen Anstieg von 45 auf 66 Anzeigen, ein Plus von 21. Im Jahr 2011 waren es 92 (pdf, S. 240).

Fraglich ist aber auch, wie sinnvoll es ist, Bundesländer einzeln zu betrachten. Räuber, die in einem Bundesland kein günstiges Ziel finden, gehen womöglich schlicht in ein anderes. Daher lohnt es sich, landesweite Zahlen heranzuziehen. Ein „dramatischer Anstieg“ sieht anders aus.


Zwei Dinge kann man hingegen mit Sicherheit sagen: 1. Raubüberfälle wird es weiterhin geben. 2. In Summe wurden sie in den letzten Jahren weniger:



(Achtung: 2012 ist noch ohne Bundesländer. Details siehe Auswahlmenü)

Die hier verglichenen Zahlen hinken allerdings. Die Krone bezieht sich auf Halbjahreswerte (September bis März), ich verwende die öffentlich zugänglichen Ganzjahresdaten aus den Kriminalberichten*. Es gibt in Österreich nur eine Stelle, die aus erster Hand Auskunft über die Zahl der Raubüberfälle geben kann – und zwar die Polizei. Was sagen also die Gesetzeshüter dazu?

„Zu den Zahlen in der Kronenzeitung gibt das Bundeskriminalamt keine Stellungnahme ab- diese sind nicht nachvollziehbar und stammen nicht von offizieller Seite„, so Pressesprecher Mario Hejl auf Nachfrage. Thomas Keiblinger von der Landesdirektion Wien ergänzt: „Aussagen zu Zahlen von 2013 sind nicht seriös. Diese Zahlen liegen noch gar nicht vor.“

* Zusatz

Der Kriminalbericht für 2012 ist zwar schon fertig, aber noch nicht öffentlich. Auf mehrfache Anfrage verweigerte die Polzei ohne Begründung die Einsicht in das Dokument. Lediglich die im Artikel verwendeten Zahlen für 2012 gab man freundlicherweise aus dem Bericht bekannt. Eine Kollegin, die dieses Thema ebenfalls bearbeiten wollte, hatte weniger Glück. Sie bekam gar keine Zahlen. Wem diese Gutsherrenart fragwürdig vorkommt, der möge hier unterschrieben

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