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ProSieben-Magazin „taff“ kriminalisiert Bettler

Meistens beglückt das ProSieben-Magazin „taff“ ja mit leicht verdaulichen Lifestyle- und Promi-Geschichten. In der Ausgabe vom 6. Jänner (ca. ab Minute 7 Der Beitrag ist mittlerweile offline. Siehe Update ganz unten) thematisiert „taff“ mit einem Beitrag über die vermeintliche „Bettelmafia“ aber recht schwere Kost – und verblüfft dabei mit haltlosen Anschuldigungen, Kriminalisierung und völlig fehlender Objektivität.

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In der Reportage sollen Bettler in München mit versteckter Kamera überführt werden, Teil der „Ostblock-Bettelmafia“ zu sein, welche „taff“ zufolge Deutschland derzeit „überschwemme“. Der „Plan“ dieser Bettler sei einfach:

„Verstümmelung und traurige Hundeaugen – die verursachen bei uns ganz schnell Mitleid, und sie öffnen ganz schnell unseren Geldbeutel.“

Im Beitrag wollen die Reporter eine vermeintlich kriminelle Bettler-Bande ausgemacht, und auch einen handfesten „Beweis“ für deren Kriminalität gefunden haben:

„Ob sie (Die Bettler-Bande, Anm.) wirklich bedürftig sind, darf bezweifelt werden, immerhin hat der Mann im roten Ski-Anzug ein Handy!“

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Von nun an unterstellen die Reporter eben diesem Mann in rot (siehe Bild), ein „Anführer der Bettelmafia“ zu sein. Ein Mann, der in einem zerlumpten roten Anzug im Winter auf der Straße sitzt – so stellt sich „taff“ also einen Mafiapaten vor.

Die nächste haltlose Mutmaßung folgt:

„Immer wieder dreht er seine Runden, besucht seine fünf Gefährten und gibt ihnen jedes Mal die Hand – vermutlich, um das erbettelte Geld einzusammeln und abzukassieren.“

Echte Fakten , die belegen, dass der Mann der Boss von irgendeiner Mafia sei, werden zwar nicht mehr geliefert. Für „taff“ scheint die Sache aber eh schon so gut wie bewiesen. Der feindliche Grundton des restlichen Beitrages, sowie O-Töne und Passanten-Interviews tun das übrige: Es entsteht ein völlig einseitiges Bild von „Betrügern“, die „mitleidserregende Hundeblicke“ auflegen, aber am Ende des Tages „mit dem dicken Benz“ nach Hause fahren. Auf Gegenpositionen oder Hintergründe zum Thema wird sowieso komplett verzichtet.

Die „Bettelmafia“ ist seit ewigen Zeiten ein wiederkehrendes Thema. Etliche Medien, Organisationen und Dokumentationen haben sich in unseren Breitengraden schon mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Ganz so eindimensional wie bei „taff“ sieht deren Fazit aber nicht aus: Eindeutige und endgültige Belege für organisierte Kriminalität im großen Stil, oder gar mafiöse Strukturen, lassen sich demnach schwer bis gar nicht nachweisen.

Auch wenn es so wirken soll: mit aufklärendem Journalismus hat der „taff“-Beitrag denkbar wenig zu tun. Womöglich haben sich die gezeigten Bettler zwar in einer kleinen Gruppe organisiert. Aber selbst wenn: Zu einer „Mafia“ macht einen das alleine noch nicht.

 

Update:
Die gesamte Sendung ist leider nicht mehr online. Der Beitrag alleine ist hier (noch) zu sehen.

Kronen Zeitung verwechselt Fahndung mit Menschenhetze
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3 Kommentar(e)

nuntius - Am 21. January 2014 um 14:08

So läuft es in unseren neoliberalen Unzeiten, man verachtet den Schwächeren, er ist immerhin selbst Schuld. Wo doch in diesem Land eine solche Chancengleichheit besteht. Damits noch gerechter wird, muss den Menschen auch der letzte Rest Mitgefühl genommen werden mit solchen erbärmlichen Lügengeschichten.

Sofie - Am 21. January 2014 um 15:42

Der Beitrag lässt jede journalistische Objektivität vermissen. Klar, es handelt sich um „taff“, da muss man nicht viel erwarten. Aber derartige Anschuldigungen und Vorverurteilungen… grausig.
Ganz abgesehen davon, dass diese Bettler, selbst wenn sie in irgendeiner Form in mafiöse Strukturen verwickelt wären, (was aus diesem Beitrag entgegen der Behauptungen der Reporter nicht als gerechtfertigter Verdacht hervorgeht) handelt es sich wohl eher um Opfer als um Täter. Das scheint bei „taff“ aber noch nicht angekommen zu sein.

Am Handelskai in Wien sitzt/liegt bei Wind und Wetter, selbst bei Schnee und klirrender Kälte ein körperlich stark beeinträchtigter Mann, abgemagert und in einen uralten Mantel gehüllt. Er ist jeden Tag da, in der Nähe ist ein großes Einkaufszentrum. Tatsächlich bekommt er sehr wenig Geld zugesteckt, zumindest habe ich noch nie gesehen, wie ihm jemand etwas in den Becher geworfen hat und ich sehe ihn oft. Wenn dieser Mann in irgendeiner Weise mit einer Drückerbande in Kontakt steht, dann als Opfer. Die Oberhäupter solcher Banden würden sich doch niemals selbst auf die Straße setzen und frieren!
Da ich tatsächlich befürchte, das besagter Herr abends das Geld abgeben muss, finde ich es besser ihm etwas essbares zuzustecken. Leider fühlt sich auch auf Anfrage niemand dafür zuständig dem Mann zu helfen, weder die Rot-Kreuz-Leute die oft da sind, noch die Polizisten die ständig vorbeischlendern. Vermutlich wird sich auch in diesem Fall erst eine Behörde interessieren, wenn er erfroren ist.

Entscheidend ist ohnehin nicht, ob ein Bettler zu einer „Bande“ gehört, entscheidend ist, ob seine Menschenrechte in Gefahr sind. Und wenn jemand das erbettelte Geld abends an einen Mafiosi abgeben muss, ist sicher nicht der Bettler das kriminelle Element, sondern eindeutig ein Opfer. Somit bedürfen diese Menschen erst recht unserer Hilfe und sollten nicht noch zusätzlich kriminalisiert und verunglimpft werden.

Diese „taffen Spezialisten“ sollten auch mal daran denken was wohl mit Zwangsbettlern geschieht, die nicht genügend Geld abliefern. Und dass durch so einen Bericht viele Leute davon abgehalten werden Geld an Bedürftige zu spenden, sollte auch klar sein.

Es muss verhindert werden, dass diese Menschen abends das Geld an irgendjemand abdrücken müssen. Im Winter sitzt keiner aus Spaß auf der Straße und bettelt, das ist anstrengender als viele normale Jobs!

Preniumid1991 - Am 22. January 2014 um 09:50