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Babyentführung in „Heute“: Pranger trotz Balken

Stellen Sie sich vor: Sie lesen in „Heute“ folgende Schlagzeile:

Sie wissen also schon mal, dass es sich um eine 32-jährige Österreicherin handeln muss, die offensichtlich ein Kind entführt hat. Das passende Bild unter der Schlagzeile lässt vermuten, dass diese Person mollig bis dick ist und dunkle Haare hat:

Zusätzlich dazu veröffentlicht „Heute“ im selben Artikel, dass es sich um eine „Elisabeth Sch.“ handelt, die eine Wohnung in Kössen, einem 4000-Seelen-Dorf in Tirol, hat.

Im § 7a des Österreichischen Mediengesetzes steht dazu Folgendes:

Werden in einem Medium der Name, das Bild oder andere Angaben veröffentlicht, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen, die (..) einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist oder wegen einer solchen verurteilt wurde, und werden hiedurch schutzwürdige Interessen dieser Person verletzt, (..) so hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung.

Wer sich kurz Zeit nimmt und ein wenig googelt, hat schnell heraus gefunden, wieviele Elisabeths mit „Sch“ beginnendem Nachnamen es in Kössen gibt: Es sind mindestens sechs, leicht inklusive Anschrift und Telefonnummern auffindbar. Das alles innerhalb von wenigen Klicks für JEDEN! ersichtlich, dem Internet sei Dank.

Und jetzt stellen Sie sich vor, sie würden sich – aus welchen bizarren Gründen auch immer – an dieser Person rächen wollen. Glauben Sie, sie könnten dies mit Hilfe der Informationen im „Heute“-Artikel und beschränkten Internetkenntnissen bewerkstelligen? Glauben Sie, es wäre Ihnen möglich, herauszufinden, wer diese Frau Sch. ist, wo sie genau wohnt, wo sie arbeitet, vielleicht sogar wer ihre Familie ist? Bedenken Sie ihre Rachegefühle, ihren Hass! Wer könnte Sie schon aufhalten?

Oder was wäre, wenn Sie eine dieser Elisabeth Sch’s aus Kössen wären. Vielleicht sind Sie auch etwas mollig.

Und jetzt überdenken Sie nocheinmal die Rolle von „Heute“ und dem Schöpfer dieses Artikels, Claus Kramsl. Hätte er geschrieben „Elisabeth S.“ wären es immerhin neun Personentreffer mit Anschrift und Telefonnummer gewesen. Bei einer „Elisabeth S. aus dem Bezirk Kitzbühel“ (in dem Kössen liegt) wären es bereits 54 Treffer gewesen. Die Erweiterung auf Tirol hätte gar 415 Treffer erbracht. Niemand hätte nachvollziehen können, um wen es sich genau handeln könnte.

Die eigentliche Identität von Elisabeth Sch. hat „Heute“ nicht veröffentlicht, aber was ist mit den „andere Angaben“ , die (laut Mediengesetz) „geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen“?

Eine Frage, Herr Kramsl: Würden Sie einen Täter, der zufälligerweise wie Sie Claus K. heißt und aus Ihrem Heimatort stammt, auch so beschreiben?

Herr Pelinka, Sie vergleichen die FPÖ-Wahl mit Nordkorea?
Tschüss - das war die Futurezone!