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„Heute“ und die kindliche Idee einer Preiszetterl-Justiz

Die Gratiszeitung „Heute“ infomiert am 2.12. über himmelschreiende Ungerechtigkeiten der heimischen Justiz, über „Wahnsinns-Urteile“, nach denen einmal Lügen so viel koste wie 20 gebrochene Frauennasen:

Auch wenn die konkrete Strafbemessung für Laien schwierig erscheint, sollten Journalisten, die sich darüber lauthals und vorallem publizistisch mockieren, sich zumindest ein wenig schlau machen:

  • Geldstrafen berechnen sich nach Tagsätzen. Lediglich die Anzahl dieser Tagsätze richtet sich nach der Art und Schwere der Tat, und damit auch nach konkret vorliegenden mildernden oder erschwerenden Umständen, wie beispielsweise der (Un-)Bescholtenheit des Täters.
  • Die Höhe dieser Tagsätze allerdings bestimmt sich nach den wirtschaftlichen und persönlichen Umständen des Täters – und ist mit mindestens €4 und höchstens €5.000 festzusetzen (Strafgesetzbuch §19).

Die Strafbemessung ist also nicht einfach ein Preiszetterl, das auf einer Tat klebt. Eine niedrige Geldstrafe kann einfach ein Indiz dafür sein, dass der Täter ein armer Schlucker ist und/oder mildernde Umstände vorlagen.

Sich damit näher auseinander zu setzten,  hätte die Geschichte obsolet gemacht war „Heute“ wohl zu langweilig.

(Danke für den Hinweis an Georg Wageneder.)

Update:

Beispiel für gelungene Kritik an der österreichischen Justiz im Standard.

Zuwenig Sauerstoff bei "Heute"
"Österreich"ische Mathematik

6 Kommentar(e)

superlupo - Am 12. December 2011 um 11:29

Die „Heute“ wird immer schlimmer. Mir wird speiübel, wenn ich ein Cover wie dieses sehen muss. Leider kann man dem kaum entkommen, wenn man U-Bahn-Fahren muss. Diese geistige Umweltverschmutzung sollte aus den öffentlichen Verkehrsmitteln verbannt werden!

Brucki - Am 12. December 2011 um 12:09
hp lehofer - Am 12. December 2011 um 20:25

Der Bericht in der Presse war mir bislang entgangen: dort finde ich besonders bemerkenswert, dass der Autor schreibt: „Man darf gar nicht weiterdenken, sonst wird man verwirrt.“

An dem Fußballer-Fall ist meines Erachtens wichtig, dass laut dem Presse-Bericht (und wenn man weitergoogelt wird das in anderen Medienberichte auch so wiedergegeben) die hohe Strafe nicht „nur“ wegen „einmal lügen vor Gericht“ verhängt wurde (was übrigens auch kein Kavaliersdelikt ist, immerhin geht es um eine strafbare Handlung gegen die Rechtspflege, die – wenn sie unentdeckt bliebe -. vielleicht andere hinter Gitter bringen könnte!), sondern wegen – so die Presse selbst – „Falschaussage, Verleumdung und versuchter Begünstigung“. D.h. auf der einen Seite stehen
– falsche Beweisaussage vor Gericht, § 288 StGB, Strafdrohung bis zu drei Jahren, unter Eid 6 Monate bis fünf Jahre
– versuchte Begünstigung, § 299 StGB, bis zwei Jahre
– Verleumdung, § 297 StGB, hier – weil der Vorwurf offenbar Missbrauch der Amtsgewalt gewesen sein dürfte – wohl mit dem erhöhten Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren.
Beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen bestimmt sich die Strafe nach § 28 StGB nach der höchsten Strafdrohung.

Erhalten hat er – laut Bild (scheint hier aber nicht per se unglaubwürdig) – 300 Tagesätze a 600 Euro (wegen Zugrundelegung eine monatlichen Nettoeinkommens von € 20.000) – und das NICHT RECHTSKRÄFTIG!

auf der anderen Seite steht
– schwere Körperverletzung, § 84 StGB, Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
Bekommen hat er – wenn man Meldungen im Netz trauen kann: rechtskräftig – offenbar 240 Tagessätze zu je 35 €, als mittlerweiler Arbeitsloser.

Wenn man also die gesetzlichen Strafdrohungen: 6 Monate bis 5 Jahre einerseits, bis zu drei Jahre andererseits, gegenüberstellt, scheint das jedenfalls nicht ungewöhnlich.
Was mich aber bei dem heute-Artikel wirklich geärgert hat war die Einleitung, in der den Richtern vorgeworfen wurde, dass sie den Hausverstand verloren hätten – würde man „nach Hausverstand“ urteilen können, bräuchte man keine Gesetze und wir würden auch nicht in einem Rechtsstaat leben. Man kann der Meinung sein, dass die Strafdrohung bei Körperverletzungen im Vergleich zu anderen Delikten zu gering ist (oder umgekehrt), aber das ist eine Frage, die der Gesetzgeber des Strafgesetzbuchs entschieden hat – und an das müssen sich die Strafrichter eben halten.

whsonic - Am 12. December 2011 um 22:02

„“Heute” hat übrigens nur aus der “Presse” abgeschrieben:“ – besser als umgekehrt

Seimon - Am 12. December 2011 um 23:21

@hp lehofer:
Danke für die ausführlichen Ausführungen!!

Pibi - Am 16. December 2011 um 17:46

„Heute“ ist nicht mehr als ein öffentlich zu tragender Deppenausweis.