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Minderjährige, Afghanistan, Berlusconi und der Kurier

Samstag im Kurier: Ein Bericht über jene junge afghanische Frau, die vom Mann ihrer Cousine vergewaltigt und geschwängert wurde. Ein Gericht verurteilte die damals 18jährige wegen Ehebruchs zu zwölf Jahren Gefängnis, auf internationalen Druck hin begnadigte Präsident Karzai sie nun – angeblich unter der Auflage, dass sie ihren Vergewaltiger heiratet, damit das uneheliche Kind nicht unehelich bleibt.

Mittelalterlich, oder? In Europa sind wir ja längst darüber hinaus, Frauen als verfügbare Sexobjekte zu behandeln, oder? Nun, wir sind sicher etwas weiter als Afghanistan, aber der Artikel ganz unten rechts – auf der selben Seite –zeigt, dass wir noch nicht sehr weit sind :

Bitter finde ich die Formulierungen des KURIER. Al-Margough, die von einem Prostitutionsring missbrauchte Minderjährige, war “eine Professionelle”? Was soll das heißen? Dass es halb so schlimm war, dass Berlusconi mit einer Minderjährigen Sex hatte, weil diese eh nix wert ist, wenn das viele gemacht haben? So klingt das in meinen Ohren. So wie die fettgedruckte “Herzensbrecherin” neben dem Foto, das aus dem Opfer die Täterin macht.

Es sind die unbedachten Formulierungen, in denen sich eine Kultur verrät…

"Profil" lässt sich beim Abschreiben erwischen
„Lola“ macht „Krone“ Lust

10 Kommentar(e)

Seimon - Am 04. December 2011 um 20:26

Ruby Rubacuori heißt übersetzt Ruby Herzensbrecherin

Ich weiß nicht ob sie sich selbst so nannte, oder ob es die italienischen Medien waren.

Bodenseepeter - Am 04. December 2011 um 20:49

Steht irgendwo etwas davon, dass es nun halb so schlimm sei? Wie kommst du denn darauf, das aus dem Artikel lesen zu können?

Christoph Dollenz - Am 05. December 2011 um 00:04

Diesen Kobuk-Artikel finde ich sehr unreflektiert.. Berlusconi ist sicher nicht mein Liebling aber allein die Tatsache dass sie als Prostituierte dort war ist doch der rechtlich relevante Aspekt. Sex mit einer siebzehnjährigen ist meines Wissens in Italien, wie auch in Österreich, für einen Erwachsenen nicht strafbar.
Daher finde ich es nicht so abwegig, speziell darauf hinzuweisen, wenn ich mich auch noch nie mit der Bezeichnung „eine Professionelle“ anfreunden konnte.

Inge - Am 05. December 2011 um 10:44

Die Bezeichnung „Herzensbrecherin“ suggeriert, dass in Wirklichkeit Al-Margough Berlusconi verführt hat – noch dazu „professionell“. Der Arme konnte gar nichts dafür, dass er mit einer Minderjährigen Sex hatte. Berlusconi ist das Opfer. Sex mit Minderjährigen ist in Italien übrigens strafbar.

Theodor Schule - Am 05. December 2011 um 12:02

Das, liebes Kobuk-Team, ist ein ordentlicher Schlag ins Wasser.
Der KURIER berichtet einerseits über ein verlängertes Vergewaltigungsdrama in Afghanistan, auf der anderen (bzw. selben) Seite über die Affäre um die Sexarbeiterin/Prostituierte/Escortfrau Rubacuore. In beiden Fällen werden Meldungen wiedergegeben, dass es sich bei der Berlusconi-Dame um eine „Professionelle“ handelt (was im Übrigen keine Schande ist sondern sie von den illegalen Sexarbeiterinnen unterscheidet) sogar mit einem wörtlichen Zitat unter Angabe der Quelle.

Jetzt mag es moralisch fragwürdig oder traurig sein, was so alles in der Welt, auch imvermeintlich modernen Wertesystem Europas so passiert. An dieser Stelle aber dem Überbringer dieser Nachrichten, dem KURIER, den wackelnden Moralzeigefinger vorzuhalten ist aber sicherlich falsch.

Liebes kobuk-Team – beschränkt Euch bitte weiterhin auf das ohnehin ertragreiche Feld der journalistischen Unzulänglichkeiten, die moralisch-sittliche Kritik überlasst bitte anderen.

bausi - Am 05. December 2011 um 12:22

theodor schules kommentar kann ich nur unterschreiben… schlag ins wasser triffts genau!

Christoph Dollenz - Am 05. December 2011 um 12:51

Liebe Inge,
Da irren Sie sich.
Sex mit einer minderjährigen PROSTITUIERTEN ist in Italien wie auch in Österreich strafbar.
Sex mit einer Minderjährigen ab 14, bei besonders schutzwürdigen Personen ab 16, ist in Italien wie auch in Österreich legal.
Und wenn Sie die Kommentare weiter oben lesen, sehen Sie dass „Herzensbrecherin“ anscheinend der Name war, den sie für sich gewählt hat.
Mfg

diepresse - Am 05. December 2011 um 19:16

erbaermliches gutmenschentum.

fatmike182 - Am 06. December 2011 um 01:11

Um der Prostitution nachzugehen muss man in Ö 18J alt (vollendetes 18. LJ) sein.
Um der Prostituierten nachzugehen muss man in Ö 14-16J alt sein.
Das sind natürlich genormte Richtwerte die man als Gesetz bezeichnet. Schwammiger als das Alter das ich in dem Fall entscheidend aber nicht zwingen ausschlaggebend finde, ist die Motivation dahinter (aus Gier, aus finanziellen Notstandsgründen, aus Naivität, durch Nötiging, durch Erpressung,…)
Das Alter ist ein Maßstab, so auch das Faktum, dass man von einer h auf die nächste plötzlich alt genug ist (Schaltjahr-Kinder müssen noch warten). Aber welche gesellschaftlichen Perversionen gehen dabei verloren?
1) alte Säcke geilen sich an Menschen auf die „minderjährig“ sind weil diese ihnen als „minderjährig“ verkauft werden, obwohl sie den Unterschied zw 14J-25J nicht erkennen würden
2) Personen verdienen doch tatsächlich ihr Geld mit einer Tätigkeit die entweder wir oder sie ethisch nicht ganz konzeptgetreu finden

Ad Herzensbrecherin: was Seimon sagt.

Helge Fahrnberger - Am 06. December 2011 um 21:04

Man kann eine 17-jährige Prostituierte als „professionelle“ Verführerin hinstellen und mit ihrem Prostituiertennamen Wortspielchen treiben. Oder man denkt darüber nach, dass eine minderjährige illegale Prostiuierte mit marrokanischer Staatsbürgerschaft und ohne Aufenthaltsgenehmigung in Italien doch eher Opfer ist als eine Professionelle. My 2 Cents.