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Pflichtschulkurse: „Krone“ lanciert Hetzkampagne

Die Kronen Zeitung hetzt in einer Kampagne gegen Kurse für Pflichtschulabschlüsse. Migranten könnten in nur 200 Tagen den Pflichtschulabschluss nachholen, für den Österreicher acht Jahre lang die Schulbank drücken müssen, heißt es in einem Artikel, der der Beginn einer vierteiligen Serie ist. Dabei verschweigt das Blatt offenbar bewusst entscheidende Informationen, um Stimmung gegen Zuwanderer zu schüren.

blitzkurse-titelbildDie Krone zweifelt an der Qualität dieser Kurse und stellt die Abschlüsse in Frage. Das Blatt stellt auch einen Zusammenhang zur Abwanderung von Unternehmen aus Wien her:

„Wundert sich da noch jemand, dass jetzt wichtige Unternehmen wie Hrachowina aus Wien abwandern, weil sie hier kein qualifiziertes Personal finden?“

In der offiziellen Stellungnahme des Unternehmens liest man davon nichts. Im Gegenteil heißt es sogar, man wolle „möglichst viele Mitarbeiter der Produktion“ im neuen Standort halten. Der Grund für die Übersiedlung sei, dass das Unternehmen für den alten Standort zu groß geworden ist.

Aber zurück zu den Kursen: Diese dauern beispielsweise bei den Wiener Volkshochschulen tatsächlich „nur“ zehn Monate. Schuldig bleibt das Boulevardblatt aber die Antwort auf das Warum: Warum dauern Pflichtschulkurse für Erwachsene nur so lange, während Schulkinder acht Jahre brauchen, um dieses Bildungsniveau zu erreichen? Die Antwort ist denkbar einfach, wie mir die Volkshochschulen auf Anfrage mitteilten: Die Kursteilnehmer beginnen nicht ohne jegliches Vorwissen. Sie haben bereits Schulen besucht, die sie entweder abgebrochen haben, oder deren Zeugnisse in Österreich nicht anerkannt werden.

Vor Beginn des Kurses durchlaufen alle potenziellen Teilnehmer zudem ein Beratungsgespräch, bei dem die Vorkenntnisse und Zeugnisse überprüft werden. Auch der Abschluss wird niemandem geschenkt, sondern muss während einer vom Stadtschulrat entworfenen Prüfung erlangt werden.

Laut der Sprecherin der Volkshochschulen wurden der „Krone“ diese Informationen genau so mitgeteilt. Wurden diese in der Berichterstattung bewusst ignoriert, wäre das ein Skandal.

Einen Tag später erscheint der nächste Artikel: „Jetzt Aufregung um teure Blitzkurse für Migranten“. Die Aufregung scheint wohl nur im Kommentarforum der „Krone„, und bei der FPÖ, die eine Presseaussendung zu dem Thema verfasst hat, groß gewesen zu sein, denn sonst hat niemand über besagte Kurse berichtet.

Als wäre das aber noch nicht genug Stimmungsmache, wirft die „Krone“ ein paar Tage später einen weiteren Artikel nach: „Mit 66 Unterschriften zu 3692,10 € netto vom AMS„. Nun unterstellt man, Migranten würden die Kurse nur besuchen, um Geld vom AMS zu bekommen. Eine Pädagogin erzählt anonym, die Anwesenheit werde kaum kontrolliert, das AMS zahle aber trotzdem. Außer, dass eine einzige Pädagogin das behauptet, fehlen aber jegliche Fakten.

Im bislang letzten Artikel titelt die Krone: „FPÖ: ‚Blitzschule‘ für Migranten ist ein ‚Wahnsinn'“. Mehr als eine Zusammenfassung der oben erwähnten Presseaussendung und aller anderen Behauptungen liest man hier aber nicht. Übrigens handelt es sich nicht um Kurse speziell für Migranten – sie können selbstverständlich von jedem besucht werden, der keinen Pflichtschulabschluss hat und in Österreich wohnt. Jährlich brechen etwa 53.000 Schüler die Schule ab. Diese Kurse sind auch für sie gedacht. Das erwähnt die Krone allerdings kein einziges Mal – passt eben nicht zur Kampagne.

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8 Kommentar(e)

Richard Schmitt - Am 15. December 2016 um 11:58

Sie erwähnen nur die VHS. War Ihnen die Recherche bei den anderen privaten Bildungsinstituten, die ebenfalls diese Blitz-Kurse anbieten, zu mühsam? Und sind Sie generell dafür, dass asylberechtigte Mitbürger eine kurze & schlechte Ausbildung erhalten, dann keinen Job bekommen, nicht für sich selbst sorgen können und sich auch kein neues gutes Leben in Ö aufbauen können?

Peter Nathschläger - Am 15. December 2016 um 12:07

Richard Schmitts Recherche-Arbeit beschränkt sich darauf, morgens bei Kickl anzurufen und ihn zu fragen: „Was darf ich heute schreiben?“

Dirk Rat - Am 15. December 2016 um 12:09

Dass der Autor der wiederholten Hetzkampagnen der Krone hier sogar selbst kommentiert und patzig schlampige Recherche behauptet, aber keinen der anderen Vorwürfe auch nur anspricht, ist ein weiterer Beweis dafür, dass die redaktionelle Mitarbeit beim Boulevard schlicht ein Charaktermakel ist.
Sie, Herr Schmitt, persönlich sind mitverantwortlich für das vergiftete Klima in diesem Land, Sie, Herr Schmitt, machen sich mit voller Absicht zum Kampagnenleiter einer politischen Partei, der sie Munition liefern und umgekehrt. Das hat nichts mit journalistischer Arbeit zu tun, nichts mit Information Ihrer Leser oder irgendwie gearteter „Aufklärung“, sondern ist schlicht und ergreifend eines: Hetze auf niedrigstem Niveau. Dass Sie sich das im Badezimmerspiegel beim Rasieren täglich schön reden können, ist kein Beweis Ihrer Selbstreflexion.

Ben Hemmens - Am 15. December 2016 um 12:24

Woraus geht hervor, dass die Ausbildung schlecht ist? Ich mein, sie ist ja nicht mehr als die Pflichtschule. Aber ist sie schlechter als ein normaler Pflichtschulabschluss? Freilich ist auch damit allein nicht die große Employability erreicht. Ist aber va im hiesigen System, in dem ohne diesen Abschluss gar nichts anderes weitergeht, ein unverzichtbarer Schritt, oder?

Außerdem verstehe ich nicht warum es die Krone stört, wenn MigrantInnen keine Arbeit finden. Würden sie eine finden, dann gingen die Schlagzeilen dahin, dass sie „uns“ die Jobs wegnehmen. Der Supermigrant: legt sich auf die faule Haut in der sozialen Hängematte und nimmt uns gleichzeitig die Arbeitsplätze weg. Ist entweder total ungebildet und kann kein Deutsch, aber wenn er in einen Kurs geht und strebert, dann meingottnaaa es muss ein schlechter teurer Kurs sein. Macht man den Kurs im staatlichen Schulsystem ist es euch nicht recht und wenn mans an gewinnorientierte Firmen im privaten Sektor auslagert, ist’s euch auch nicht recht.

Was wäre der Krone jemals recht, das möchte ich einmal erfahren.

Heinz Diseld - Am 15. December 2016 um 12:33

„Aber genauso wichtig ist, dass ich am Mittwoch oder Donnerstag auf Facebook einen Aufreger habe. Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen. So ein Doppelspiel ist natürlich für die anderen Parteien gefährlich. Und auch da nicht falsch verstehen: Das könnten ÖVP und SPÖ natürlich auch machen. Sie machen es aber nicht.“ Richard Schmitt über die Kronen Zeitung, die FPÖ und Facebook.
https://www.fleischmagazin.at/index.php/fleisch-38-krone-richard-schmitt

Yilmaz Gülüm - Am 15. December 2016 um 12:35

Herr Schmitt, es ist natürlich zulässig, die Qualität dieser Kurse kritisch zu hinterfragen. Nur hat das wenig mit dem zutun, was Sie in Ihren Artikeln machen. Sie schließen von der Dauer auf die Qualität, ohne zu erklären, warum die Dauer so ist wie sie ist. Welchen konkreten Fakten haben Sie denn, laut denen das Bildungsniveau von Absolventen dieser Kurse niedriger ist, als das Bildungsniveau von Schülern auf dieser Stufe? Keine. Sie mutmaßen lediglich.

Dass Ihnen die Zukunft von Asylberechtigten und ihre Chancen am Arbeitsmarkt am Herzen liegen, finde ich ehrlich rührend. Wie wäre es mal mit einem Artikel dazu?

Marc Pentermann - Am 16. December 2016 um 20:52

Der Vollständigkeit halber sollte man darauf hinweisen, dass ein Pflichtschulabschluss auch kein Garant für einen Arbeitsplatz ist. Denn die klassischen Helfertätigkeiten verschwinden mehr und mehr, nur mit einem Pflichtschulabschluss steigt das Risiko der Arbeitslosigkeit deutlich. Solche Kurse sind nur eine Basis für eine qualifizierte Berufsausbildung.

Unweihnachtlicher Lesestoff für Sonntag, 18. Dezember 2016 mit 34 Artikeln - Der Webanhalter - Am 17. December 2016 um 23:06

[…] Pflichtschulkurse: „Krone“ lanciert Hetzkampagne: Die Kronen Zeitung hetzt in einer Kampagne gegen Kurse für Pflichtschulabschlüsse. – by Weronika Korban – https://kobuk.at/2016/12/pflichtschulkurse-krone-lanciert-hetzkampagne/ […]