„Österreich“ veröffentlicht in ihrer Printausgabe vom 4.Dezember ein Foto von Johanna Mikl-Leitner. Die Innenministerin ist mit Polizeikappe und farblich abgestimmter Jacke zu sehen. Dass es sich hierbei um eine Fotomontage handelt, kann man nicht erkennen, da es nirgends vermerkt wurde.
In der Online-Version war die Redaktion aber korrekter. Dort steht in der Bildunterschrift das Zauberwort „Montage“.
Das Originalbild findet man des Öfteren auf oe24.at. Hier zum Beispiel. Oder hier, hier und hier. Man könnte meinen, der Redaktion wäre das Bild mit der Zeit zu langweilig geworden.
Man muss das Problem der Kronen Zeitung schon verstehen. Echte Fotos vom drohenden Bürgerkrieg in Ägypten geben einfach zu wenig her. So ein Muslimbruder, der muss die „Krone“-Leser anspringen wie die schreiende Katze in einem schlechten Hollywood-Schocker:
Nein, den Vertikalhinweis in Mikroschrift lassen wir nicht gelten. Fotomontage-Hinweise, die schlechter erkennbar sind als die Manipulation, verfehlen ihren Zweck. Und ja, die Montage ist schlecht, aber sie erzielt einen gewünschten Effekt.
Dabei hatten wir doch erst letzten Sommer die schöne Syrien-Montage, mit der die „Krone“ weltweit Wellen schlug:
Davor den Kopf des Golf-Millionärs, dem die „Krone“ einen neuen Körper verpasste:
Im Vergleich fast harmlos, das Foto vom Panzerwagen, das vier Jahre später einer Hausräumung in Wien zugeschrieben wurde:
Königin Beatrix, die — plötzlich zehn Jahre jünger — scheinbar vor der Innsbrucker Uniklinik stand:
Die Hunde-Schockbilder aus der Ukraine, die von überall her kamen, nur nicht aus der Ukraine:
Der vermummte Student, der laut „Krone“ die Uni-Wände mit Parolen besprühte:
Ein Demonstrant, der fürs Titelblatt ein bisschen aggressiver an die Polizei herangerückt wurde:
Und viele viele mehr. Wir haben hier sicher nicht einmal die Spitze des Eisbergs angeschmolzen. Für das letzte Bild hat sich die „Krone“ — damals noch unter dem alten Dichand — übrigens so entschuldigt:
Durch ein äußerst bedauerliches Missverständnis wurde das ursprünglich querformatige Bild spätnachts reprotechnisch so verzerrt, dass der Demonstrant etwas näher bei der Polizei zu stehen schien, als dies tatsächlich der Fall war (rechts). Diese Montage geschah ohne Wissen der Chefredaktion. Wir bedauern diese technische Panne außerordentlich.
„Technische Panne“, klar.
Zwölf Jahre später, nachdem die Syrien-Fälschung aufgeflogen ist, kennt der junge Dichand solche Scham nicht mehr. Für ihn fehlte offenbar nur ein kaum lesbarer Alibi-Hinweis:
Während wir die Copyrights beider Fotos korrekt angegeben haben, fehlte leider der Hinweis darauf, dass es sich eben um das journalistische Stilmittel einer Fotomontage handelt. Wir entschuldigen uns für dieses Versäumnis.
Dieses Statement vom Herausgeber der größten Tageszeitung Österreichs hätte einen größeren Aufschrei verdient als die Fotomontage selbst. Denn das Problem ist nicht wie gut oder schlecht eine Manipulation erkennbar ist, sondern:
Wer das Lügen mit Bildern zum „journalistischen Stilmittel“ erklärt, dem ist in der Berichterstattung jede Verfälschung zuzutrauen.
In der Zeit im Bild – am 18. Juli um 13 Uhr (Beitrag in der ORF TVthek eine Woche abrufbar) – wurden bei einem Bild, zur Ankündigung eines Beitrags, die Logos zweier Konkurrenzsender einfach wegretuschiert. Die Schriftzüge der Privatsender befanden sich auf den gut sichtbaren Mikrofonen. Im Beitrag selbst waren die Logos anschließend wieder deutlich erkennbar.
Fehlersuchbild. Welche Sender hat der ORF aus dem Bild retouchiert? pic.twitter.com/sjQ4EjBhtY
— Martin Thür (@MartinThuer) July 18, 2013
Auf Anfrage von Kobuk schickte uns Markus Wibmer von der ORF-Pressestelle folgende Stellungnahme:
„Der ORF bedauert – gerade im Licht der Diskussion vor wenigen Tagen –, dass es durch die individuelle Fehlleistung eines Mitarbeiters zu diesem Fehler gekommen ist. Aufgrund des sehr engen Zeitkorsetts konnte das Hintergrundbild inhaltlich-redaktionell nicht mehr kontrolliert werden. Es wurden jedoch mittlerweile Vorkehrungen getroffen, zukünftig solche Fehler auszuschließen.“
Dies ist nicht der erste Vorfall dieser Art: Vor kurzem wurde aus einem Foto auf ORF.at, welches bei der Zwischenlandung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Wien aufgenommen wurde, das Logo des Radiosenders 88.6 wegretuschiert. Laut ORF-On-Geschäftsführer Karl Pachner war das „redaktionelle Linie“ – die Firmenlogos könnten schließlich vom eigentlichen Bildinhalt ablenken. Für ORF.at wurde diese Vorgabe schließlich aufgehoben. Bis zur ZIB-Redaktion haben sich die neuen Regeln aber wohl noch nicht herumgesprochen.
Oe24 bzw. der Ableger „Madonna“ berichtet am 21.11.2012 über ein Foto von Tyra Banks. Obwohl das Bild offensichtlich bearbeitet wurde, gibt man sich entsetzt:
„Das Topmodel hat ein völlig deformiertes Bild von sich selber getwittert – und lacht darüber! Doch Fans wundern sich. Seit wann hat Tyra so ein deformiertes Gesicht? Die Wahrheit ist – schon immer.“
Das Supermodel twitterte in letzter Zeit häufiger solche Bilder von sich selbst. Schmales Kinn, hohe Stirn – die Augen wirken unnatürlich nach hinten verschoben.
Nein, die Frau versucht nicht ihre Karriere zu ruinieren. Sie macht mit den Bildern Werbung für die Handy-App Smize Yourself. Das Spielzeug, mit dem man Gesichter verzerren kann, wurde von Tyra Banks eigener Firma entwickelt. Sie wirbt mit den Fotos auch im iTunes Store. Fakten, die leicht festzustellen gewesen wären. Aber tot-recherchierte Geschichten verkaufen sich eben schlecht.
Der österreichische Golfprofi Bernd Wiesberger hat dieses Jahr schon über 1 Million Euro an Preisgeld gewonnen – die Kronen Zeitung schrieb am 12.11.2012 darüber. Allerdings war das Bild nicht echt und der Profi erzürnt.

Das Original von Reuters
Im Krone-Bild umarmt Wiesberger den großen Geldstapel. Im Bildtext steht:
… damit knackte er als erster heimischer Golfer die 1-Million-Marke.
Doch die Kronen Zeitung hat dieses Foto manipuliert. Bernd Wiesberger gewann nämlich sein Geld auf verschiedenen Turnieren. Das Orginalfoto stammt von Reuters und zeigt eigentlich den deutschen Poker Weltmeister Pius Heinz, der im Jahr 2011 8,7 Millionen Dollar gewann. Diese 8,7 Millionen Dollar lagen damals am Poker Tisch und der Sieger umarmte diese Menge Geld.
Dass es sich um eine Fotomontage handelt, druckte die Krone am rechten Bildrand sehr klein ab. Dass Bilder auf Menschen aber stärker wirken als klein gedruckter Text, zeigte die Reaktion des Golfprofis und seines Umfeldes. Er erfuhr noch im Ausland von dem Bild und war bei seiner Rückkehr erbost. Gegenüber LAOLA1.at sagte er:
Selbst in meinem engsten Bekanntenkreis haben viele geglaubt, dass das Foto echt ist.
Dabei würde ich mich nie so ablichten lassen.
Er nannte das Foto geschmacklos und unprofessionell.
Aus dem Ehrenkodex der österreichischen Presse:
3.3. Fotomontagen und Bildbearbeitungen, die von flüchtigen Lesern/innen als dokumentarische Abbildungen aufgefasst werden, müssen deutlich als Montagen oder Bearbeitungen kenntlich gemacht werden.
Aus der Kronen Zeitung von gestern:
Königin Beatrix bangt im Innsbrucker Spital um das Leben ihres Sohnes.
Nachdem das mit den falschen, acht Jahre alten Hunde-Horrorfotos so toll gelaufen ist, setzt die „Krone“ auf den Redaktionsrekord jetzt noch zwei Jahre drauf. Und fälscht nun sogar aktiv Bilder, nach der bewährten Regel: „Das Foto muss nicht stimmen, nur die Stimmung muss.“
Und wenn der Promi nicht will, dann ab ins Bildarchiv. Kurz gesucht nach „Königin Beatrix traurig“ oder „auf Begräbnis“. Ein bisschen Photoshop, et voilà: Eben noch auf der Beerdigung der britischen „Queen Mum“, vor knapp zehn Jahren, und schon vor dem Krankenhaus in Innsbruck. Als hätte sie dort extra kurz posiert.
Das muss man sich echt mal geben: Die Kronen „Zeitung“ schneidet aus einer zehn (!) Jahre alten Aufnahme Königin Beatrix heraus, weil da Blick und Outfit gerade „passen“, und montiert sie vor die Innsbrucker Uniklinik, scheinbar aktuell besorgt um ihren verunfallten Sohn. Und das Ganze mit fast schon branchenuntypischer Akribie gefälscht, sodass die zunehmend presbyope Leserschaft den Schwindel kaum erkennen dürfte.
Da hätten wohl selbst die notorischsten Kronen, äh, royalen Blätter, die wir alle natürlich nur vom Friseur kennen, ein wenig Skrupel gehabt. So für ca. zwei Sekunden. Aber die würde auch niemand „Zeitung“ nennen.
Sensation in „Österreich“ am 24. Jänner: „Sieben Meter Schnee auf dem Hotel Mondschein in Stuben“.
Nicht nur Statiker staunen über diese Schneemenge. Ein bisserl Recherche – man beachte die angegebene Fotoquelle „Facebook“ – hätte hier aber die Story ruiniert:
Auf seiner Facebook-Page sagt das Hotel Mondschein zu dem Foto:
Humor lässt grüßen!
Danke an Thomas Rottenberg für den Hinweis!
Sonntag, später Abend (Ortszeit): US-Präsident Barack Obama verkündet live im TV den Tod von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden. Blöd nur, dass diese beiden Namen leicht zu verwechseln sind:
Fox und ihre „Breaking News“ (Video):

Spiegel.de lässt den US-Präsidenten auf See bestatten:

Auch auf ElPais.com starb Obama Bin Laden:

Steffen Seibert, offizieller Regierungssprecher von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel twitterte deren offizielles Statement:

…doch er korrigierte selbst kurz darauf:

Futurezone.at reagierte bald auf ihren Obama/Osama-Fehler, jedoch war er noch auf Google News zu finden:

Doch nicht nur die ähnlichen Namen der beiden bereiteten vielen Medien kleine Probleme, auch ein Bild des toten Bin Laden machte schnell die Runde. Dass es sich hierbei um eine Fotomontage handelt, zeigt Larry Brown von „Larry Brown Sports“.
Danke an Armin Rogl, @Dyrnberg, und allen weiteren Twitterern für die Hinweise!
DerStandard.at sowie BildBlog.de haben sich übrigens ebenfalls der Osama/Obama-Fehler angenommen.
Kurz nach 9/11 zirkulierte im Web das angeblich letzte Foto eines Touristen auf einem der Türme des WTC. Eine Fälschung, wie sich bald herausstellte. Aber der „Tourist Guy“ wurde zum Internet-Phänomen, das in der Folge auch an zahlreichen anderen Katastrophenschauplätzen gesichtet wurde:
(Fotos: http://urbanlegends.about.com)
Typisch Internet eben. Zum Glück ist man bei Ereignissen von historischer Tragweite nicht auf dieses zweifelhafte Medium angewiesen. Da ist es schon ein Segen, dass es noch den professionellen und seriösen Journalismus alter Schule gibt. Wo journalistische Ethik und Wahrhaftigkeit die allein bestimmenden Maximen sind. Und wo natürlich schon gar kein Platz ist, für plumpe Effekthascherei mit manipulierten Bildern auf Schülerzeitungsniveau.
Ups…
Die Fotomontagen stammen (v.l.n.r. und o.n.u) von der Homepage der durchaus angesehenen konservativen Tageszeitung „Die Presse“, sowie diesen Reportagen.
Immerhin — wer die scheinbaren Zeitdokumente extra anklickt, wird (außer beim nahezu perfekt gefälschten Foto auf der Homepage) ins Bild gesetzt, über den ins Bild Gesetzten … naja, zumindest versucht hätte man’s:
Presse-Reporter Wieland Schneider live aus Kairo / Bild: (c) Die Presse Digital Montag [sic!] (Wieland Schneider/Reuters, Amr Abdallah)
Jetzt mal ernsthaft: Welches Blog, das auch nur ein bisschen auf seine Reputation hält, hätte sich wohl getraut, einen Bericht aus dem Krisengebiet so zu illustrieren?
(Danke @hannasilbermayr für den Hinweis via Twitter)
[Update 11:59]
diePresse.com hat alle Fotomontagen durch unmanipulierte Bilder ersetzt. Und auf Twitter erklärt der Chef v. Dienst sehr offen, wie „Tourist Guy 2.0” passieren konnte:
Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.
Ich habe keine Ahnung, nach welchen Kriterien „Österreich“ entscheidet, den selben Tatverdächtigen mal mehr (gestern, online, Gesicht voll verpixelt), mal weniger (heute, online, Augen schmal verpixelt), mal gar nicht (heute, offline, s. Bild) zu anonymisieren.
Schlimmer noch: Ich fürchte, diese Ahnungslosigkeit teile ich mit der „Österreich“-Redaktion.