Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kategorie: International

Es gibt eine merkwürdige Symbiose zwischen den Richard Lugners und Paris Hiltons dieser Welt und dem Boulevard: Erstere liefern Klatsch, Bilder und Aufreger und bekommen dafür ein bisschen Aufmerksamkeit. Ob die Story stimmt oder Relevanz hat, ist zweitrangig, solange sie beim Leser Emotionen weckt.

kimschmitz

Wie heiß auch weniger boulevardeske Medien wie DerStandard.at und die Süddeutsche Zeitung auf solche Nicht-Nachrichten sind, zeigt die Geschichte des angeblichen Wiederauftauchens des Schon-vor-10-Jahren-C- und heute F-Promis und selbsternannten Hackers Kim Schmitz. Er soll in Neuseeland ein teures Haus erworben haben.

Die Quelle ist – wie bei Geschichten rund um Schmitz auch früher schon – denkbar fishy. DerStandard.at schreibt: „Wie die Süddeutsche Zeitung in Berufung auf ein neuseeländisches Blatt berichtet..“ Diese neuseeländische Zeitung wiederum hat die Information aus allererster Hand:

A source who wishes to remain anonymous said Kim Schmitz was the man behind an arrangement including a long-term lease of the 24.3ha estate, and sale once the lease expires.

Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass dieselbe „anonyme Quelle“ auch die Süddeutsche auf den neuseeländischen Artikel hingewiesen hat.

BildBlog, wo die Herkunft der Geschichte dokumentiert wurde, nennt das treffend „Gerüchterstattung“. Das („Hacker-Legende taucht wieder auf“) erinnert mich auch an das Google-Kronstorf-Gerücht, das DerStandard.at 2008 zur Tatsache adelte. (Was sie schlussendlich auch war, aber das tut nichts zur Sache.)

Wie wird unsere Gesellschaft, wie wird die Menschheit überleben, wenn keine Zeitungen mehr auf unseren Türschwellen liegen? Gar nicht. Wer macht die Nachrichten, wenn es keine Zeitungen mehr gibt? Niemand.

Eine Satire von Jesse Brown auf TVO. Via Leander Wattig.

Fox News berichtet über Obamas neue Klima-Website und fragt sich angesichts des aktuell heftigen Schneefalls, ob denn an dieser Erderwärmung, von der alle reden, was dran sein kann: „Let’s talk about the dichotomy that that creates!“ Wo doch auch Sarah Palin herself nicht daran glaubt. Seht selbst:

Aus der Sendung Fox & Friends vom 9. Februar. Via Media Matters.

Update: Danke an Thomas für den Hinweis auf diese Daily-Show-Reaktion dazu:

Einen köstlichen Fall von mutmaßlichem Bilderklau in der Redaktion von Bild.de hat das BildBlog aufgedeckt: Ein Artikel über den der Erde angeblich gefährlich werdenden Asteroiden Apophis wurde mit einer Grafik aus dem Fundus der Bildagentur Corbis illustriert – mit klar sichtbarem Wasserzeichen, das vor unbefugter Nutzung schützen soll:

bild_corbiskomet

Inzwischen wurde das Wasserzeichen einfach abgeschnitten, schließlich zählen BILD-Redakteure zu den fleißigsten BildBlog-Lesern.

Die Sparefrohs von BILD hätten auch ohne Einwurf von großen Scheinen zu guten Illustrationen kommen können, denn die Bilder der NASA unterliegem keinem Copyright. Und für alle anderen Themen gibt’s Suchmaschinen wie Everystockphoto, die nach lizenzfreiem oder Creative-Commons-Material suchen. Hier zwei passende NASA-Illustrationen:

Gut, das Ding links ist vielleicht ein bisschen größer als der Asteroid, um den es geht, aber sowas stört bei BILD ja selten jemanden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Apophis 2029 auf der Erde einschlägt, liegt übrigens bei 0,0007 Prozent.

(Screenshot von Bild.de: BildBlog)

Der Hype rund um Apples neuestes Gadget hält nun schon fast zwei Wochen an. Die meisten Medienberichte beschäftigen sich nach wie vor mit der Frage ob und wie das iPad die (Medien-)Welt revolutionieren wird. Aber neben dieser laufenden Debatte zwischen iPad-Skeptikern und iPad-Fans gibt es auch einzelne Stimmen, die dem iPad-Hype-Spektakel an sich kritisch gegenüberstehen.

Im Online Magazin Carta überlegt der Kommunikationswissenschaftler Stephan Russ-Mohl wie viel Geld sich Apple durch sein cleveres Product Placement per Geheimniskrämerei erspart hat:

Hochzurechnen wäre demnach, wie viele Millionen und Abermillionen Dollar es Apple gekostet hätte, wenn das Unternehmen für all die Print-Artikel, TV-, Radio- und Onlinebeiträge den Platz bzw. die Sendezeit in Form von Anzeigen bzw. Werbespots hätte bezahlen müssen, statt sich der Gratis-Publicity quer durch die Medienwelt zu erfreuen.

Natürlich, so Russ-Mohl, müssten Journalisten über neue Produkte am Markt berichtet, aber das übermäßige und übertriebene Hochjubeln eines Produkts würde im Endeffekt LeserInnen und für Werbung zahlende Firmen als die Deppen dastehen lassen.

Auch das NDR-Fernsehen beschäftigt sich mit dem Apple induzierten medialen iPad-Hype in einem Online-Artikel und einem Videobeitrag im Medienmagazin Zapp:

Also besser kann es eigentlich nicht laufen. Da entwickelt man etwas, stellt es der Öffentlichkeit vor und Journalisten weltweit ergießen sich in Begeisterungsstürmen. In Sendungen und Zeitungen wird dieses neue Produkt gepriesen, als handele es sich um eine Erfindung von weltverändernder Dimension. Die Pille gegen Krebs? Die Maschine gegen Klimaerwärmung? Nein, es ist einfach nur ein neues Produkt aus dem Hause Apple.

Ja klar, Steve Jobs Produktpräsentationen sind oscarverdächtig und Apple-Produkte elegant und benutzerfreundlich….aber das?

Jedenfalls scheint es an der Zeit sich den Gartnerschen Hypezyklus wieder in Erinnerung zu rufen: Nach dem ‚Peak of Inflated Expectations‘ kommt unweigerlich der ‚Through Trough of Disillusionment‘, auch für JournalistInnen.

Illustration: „Bild am Sonntag“ 31.1.2010, „Bild“ 29.1.2010, Bild.de 8.2.2010

Ihr Gesicht ist das Gesicht des iranischen Widerstands: Neda Soltani. Der gewaltsame und auf Video aufgenommene Tod einer jungen Frau hatte die ganze Welt berührt. Doch Neda Soltani ist nicht tot, sie wurde nur Opfer einer Verwechslung, eines journalistischen Fehlers.

Ein Fehler, der Neda nach Deutschland ins Exil trieb, und sie jetzt um ihr Bild kämpfen lässt. Mit wenig Erfolg. Die Ruhrbarone haben Neda getroffen und diese unglaubliche Geschichte vom Versagen der Medien aufgezeichnet.

In Italiens Trafiken und Buchhandlungen huldigt der Bildband „Noi amiamo Silvio“ (Wir lieben Silvio) dem König von Italien. Hier ein Foto einer Kundgebung des Fanclubs „Zwillinge für Silvio“. (Via Photoshop Desasters.)