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Kategorie: Falter

Heute-Chefredakteur Christian Nusser sieht seine Zeitung zu unrecht an den Pranger gestellt. Auch andere Medien haben in den vergangenen Jahren ungewöhnlich viel Inseraten-Geld vom Finanzministerium bekommen. Hat er damit Recht? Die Kurzfassung: Er hat jedenfalls nicht völlig unrecht.

Inserate aus der öffentlichen Hand sind in Österreich so eine Sache. Die Regierung kann über die Ministerien praktisch unbegrenzt viel Steuergeld an Medien überweisen. Es gibt keine Gesetze, die etwa den Rahmen, den Zweck,  oder eine verpflichtende Evaluierung über die Wirksamkeit solcher Werbeausgaben festlegen. Und sagen wir mal so: Nicht nur wir bei Kobuk hatten in den letzten Jahren immer wieder die Vermutung, dass mit diesen Geldern wohlwollende Berichterstattung gekauft wird; oder umgekehrt: Dass PolitikerInnen niedergeschrieben werden, wenn sie zu wenig bezahlen.

Seit vergangener Woche steht die Zeitung „Heute“ und ihre Herausgeberin Eva Dichand im Fokus dieses Verdachts. Der Falter hat die Causa hier und hier sehr lesenswert zusammen gefasst. Wir erinnern uns: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen Thomas Schmid und Wolfgang Fellners OE24, weil dort über das „Beinschab-Tool“ mutmaßlich gefälschte Umfragen publiziert wurden. Als „Belohnung“, so der Verdacht, öffnete das Finanzministerium den Geldhahn und ließ Inseratengelder in die Kassen der Fellners fließen. Soweit, so bekannt.

Der Falter schreibt nun über den neuen Vorwurf der Staatsanwälte: „Damit der Deal, den die Türkisen mit Fellners Österreich-Gruppe mutmaßlich geschlossen haben, um Kurz mit frisierten Umfragen zu pushen, nicht auffliegt, wurden auch die Blätter der Dichands fett bedient.“

Diese Grafik aus dem Standard illustriert den Vorwurf sehr gut:

Von 2015 bis 2021 steigen die Inseratenausgaben aus dem Finanzministerium extrem an. Als im Oktober 2021 eine Hausdurchsuchung im Bundeskanzleramt zum Rücktritt von Sebastian Kurz führt, ist die Party schlagartig vorbei.

Nun rückt Heute-Chefredakteur Nusser zum publizistischen Gegenschlag aus. Nicht nur die Boulevard-Medien hätten viel Geld bekommen, sondern alle Medien, so Nusser sinngemäß. Er wirft seinen Kritikern vor, zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Inseratengeld zu unterscheiden. Gut sei es immer dann, wenn man es selbst bekommt. Schlecht, wenn es die Boulevardmedien bekommen. Im gleichen Zeitraum, in dem Heute, Krone und Österreich mit Geld quasi überschwemmt worden sind, hätten auch Profil, Kleine Zeitung und andere erheblich mehr Inserate aus dem Finanzministerium erhalten. Nusser schreibt:

Das alles passierte still und leise. Es war gutes Geld.

Hat er also Recht? Sind alle Medien gleich?

Ich habe mir das genauer angesehen. Vorweg: Das ist gar nicht so einfach, denn die Inseratengelder werden zwar in einer Medientransparenzdatenbank quartalsweise veröffentlicht. Allerdings werden die Daten nach rund zwei Jahren wieder gelöscht. Aktuell sieht man die Daten nur ab 2021, was schon ein dezenter Hinweis darauf ist, wie ernst es die Politik mit Medientransparenz nimmt. Oder eben nicht.

Aber zurück zum Thema. Die FH Johanneum in Graz hat dankenswerter weise ein Portal eingerichtet, auf der alle diese Daten abrufbar sind. Schauen wir uns zum Beispiel den Kurier an:

Der Verlauf ist den Boulevardzeitungen recht ähnlich: 2015 gab es noch 0 Euro aus dem Finanzministerium, 2018 dann knapp 280.000 Euro, und nochmal 2 Jahre später, 2020, waren es dann rund 444.000Euro, ehe die Ausgaben 2022 wieder auf etwa 113.000 Euro sanken.

Nicht unähnlich die Styria Gruppe, zu der unter anderem Presse und Kleine Zeitung zählen:

Von läppischen 8150 Euro 2015 auf  über 1,2 Millionen Euro im Jahr 2020, und zurück auf 280.000 Euro 2022.

Ein bisschen anders sieht das beim Standard aus:

Anders als bei den anderen Medien, gab es 2022 keinen ganz so starken Rückgang. Die 117.000 Euro für Inserate aus dem Jahr 2022 sind nicht viel weniger, als die 129.000 Euro aus dem Jahr davor.

Bei den Wochenmagazinen sieht es ähnlich aus. Hier die Zahlen für die Verlagsgruppe News:

Also hat Nusser Recht? Haben alle Medien gewaltige Summen aus dem Finanzministerium kassiert, und sind jetzt auf einem Auge blind? Nein, nicht alle:

Der Falter hat gerade mal in zwei Jahren Geld aus dem Finanzministerium erhalten: Einmal knapp 6.000 Euro, einmal 5.200 Euro. Das sind Peanuts im Vergleich zu den Summen, um die es bei den anderen geht.

Jetzt könnte man vielleicht glauben: Das liegt daran, dass der Falter eine Wiener Wochenzeitung ist, und das Finanzministerium mit den Einschaltungen ganz Österreich erreichen wollte. Es gab irgendwas besonders Wichtiges zu kommunizieren, daher hat man sich nur an die ganz großen, österreichweit relevanten Medien gewandt.

Doch Moment: Das größte Medienunternehmen des Landes hatten wir ja noch gar nicht, den ORF (Disclaimer: Ich bin ORF-Journalist)

Was immer in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 so wahnsinnig wichtig zu kommunizieren war, dass Millionen Euro Steuergeld an Inseraten in Zeitungen rechtfertigen soll: Es war jedenfalls nicht wichtig genug, um auch im ORF darüber zu informieren. Weder online, noch im Radio, noch im Fernsehen.

Es stimmt also nicht, dass alle Medien gleich behandelt wurden. Außerdem: Wenn alle Medien gleich korrupt sein sollen, oder falls sich Thomas Schmid lediglich den Kronzeugen-Status erschwindeln will, wie Eva Dichand argumentiert, dann hätte er auch alle anderen Medien ebenso beschuldigen können. Komischerweise sind aber nur von Eva Dichand Chats öffentlich geworden, in denen sie sich über mangelnde Inserate beschwert und mit „wir können auch anders“ droht.

Nusser hat aber Recht wenn er sagt, dass jedenfalls sehr viele mehr als nur die Boulevardmedien von der rätselhaften Geldschwemme aus dem Finanzministerium profitierten. Ob damit positive Berichterstattung in einem, manchen oder allen Medien gekauft werden sollte, oder ob die Gelder nur dazu dienten die Ausgaben für das Beinschab-Tool in OE24 zu verschleiern, wird die Justiz ermitteln.

Fest steht jedenfalls: Inserate sind ein Spielzeug der Regierung geworden, das völlig außer Kontrolle geraten ist. Und solange es keine klaren Regeln gibt, wann, wo, in welchem Ausmaß und zu welchem Zweck Ministerien Inserate schalten dürfen, ist nicht davon auszugehen, dass sich daran etwas ändert.

 

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Ergänzung: Die y-Achsen der Grafiken sind nicht einheitlich und können daher auf den ersten Blick täuschen. In absoluten Zahlen gibt es freilich große Unterschiede zwischen den einzelnen Medienhäusern, die teilweise (wohl aber nicht vollständig) mit der Zahl der Leser:innen erklärt werden können. Es ging bei der Analyse auch weniger um absolute Werte, sondern um die Frage, ob die Dynamik eine vergleichbare wie bei den Boulevardblättern ist. Sprich ob nach 2015 die Zahlen aus dem BMF stark gestiegen sind, und 2022 wieder stark gefallen sind.

„Krone“ gegen „Falter“, das ist ein bisschen wie Simmering gegen Kapfenberg – nur die Fouls sind brutaler. So hat letzten Freitag der „Falter“ eine Geschichte veröffentlicht, die für weltweites Aufsehen sorgte. Da kam auch die Kronen Zeitung nicht am linken „Bolschewiken-Blattl“, wie sie den „Falter“ gerne nennt, vorbei — vorerst jedenfalls …

Hier ein Screenshot der ersten Meldung auf krone.at:

Elf Mal wird der „Falter“ superkorrekt als Story- und Bildquelle erwähnt. Aber am nächsten Morgen, als die Printausgabe der „Krone“ auf die Straße kommt, hat sich die Online-Meldung plötzlich (ohne redaktionellen Hinweis auf eine Überarbeitung) deutlich verändert:

Kein Wort mehr vom „Falter“ (nur einige Leserpostings sind noch Zeugen seiner vergangenen Existenz), dafür gleich nach dem ersten Absatz dieser überraschende neue Hinweis:

Der „Krone“ liegen die Aufnahmen vor – alle Details finden Sie hier.

Der Link führt auf einen Artikel, der noch mal beschreibt, was im Video zu sehen ist. Nur mit einem feinen Unterschied — als Video- und Fotoquelle steht hier nun zwölf Mal: „Krone“. Und diesen fliegenden Copyright-Übergang verdankt sie, will man ihr glauben [wir wollen, siehe Update ganz unten], einem verblüffenden Fund in der eigenen Redaktion:

Gerade noch rechtzeitig vor dem Andruck ist den Blattmachern also eingefallen, dass auch die „Krone“ das Falter-Video von einem „Whistleblower“ zugeschickt bekommen hat. Was ihnen praktischerweise die Verlegenheit erspart, in „ihrem“ Printaufmacher auch nur ein einziges Mal auf die unliebsame Konkurrenz zu verweisen. Wobei, ganz stimmt das nicht, der „Falter“ läuft jetzt unter „anderen Medien“:

Wie konnte die „Krone“-Redaktion das mit dem Whistleblower nur vergessen? Und warum hat sie diesen publizistischen Knüller, der ihr weltweit Beachtung eingebracht hätte, nicht sofort selbst verwertet?

Nun, der „Falter“-Chef und Autor besagter Geschichte hat da auf Twitter so seine eigene Theorie:

 

Update 6. Mai 2018:
Die „Krone“ hat das Video laut „Falter“ auch vom Whistleblower erhalten und „die Story schlicht verschlafen“. Aber zumindest beim Verwischen der „Falter“-Spuren war sie dann hellwach.

Nummer 1: Am Mittwoch veröffentlichte DerStandard.at diesen Filmtipp.

Auf welchem Sender der Film nun gezeigt wird, will uns DerStandard.at an dieser Stelle nicht verraten. Erst ein Leser-Kommentar unter dem Filmtipp macht darauf aufmerksam, dass „Der Busenfreund“ auf ARTE ausgestrahlt wurde.

Nummer 2: Die Falter-Ausgabe vom 18.5. lässt anhand eines Artikels vermuten, dass in der Redaktion Twitter und Twitpic nur selten genutzt werden.

Abgesehen davon, dass Twitter seinen Nutzern nicht 160 sondern nur 140 Zeichen zur Verbreitung von Informationen zur Verfügung stellt, suggeriert der Artikel, dass Twitter Eigentümer des Tools Twitpic wäre. Twitpic steht jedoch im Eigentum von Noah Everett, nicht von Twitter. Twitter selbst ist also – zumindest in diesem Falle – keineswegs „ins Visier von Informationsschützern geraten“.

Die „Taz“, auf die sich der Falter bezieht, macht es richtig und erkennt den Unterschied zwischen Twitpic und Twitter.

Nummer 3: Dass nicht nur Onlineredakteure öfters mal den Faden verlieren, beweist uns „Österreich“ am 17. Mai. Ganze vier (!) Artikel waren ohne sinnvolles Ende in die fertige Ausgabe gelangt:

(Scans von Artikeln auf den Seiten 3, 6, 10 und 21.)

Der „Standard“ illustrierte in der Ausgabe vom am 3. Mai eine Reportage von einem Besuch des neuen Integrationsstaatssekretärs Kurz bei einem Migrantenverein mit einem Bild, welches die Ablehnung eines Kindes ihm gegenüber zeigt und auch somit eine negative Stimmung zu seinen Migrantenbesuchen vermittelt.

Ein auf Facebook gepostetes Foto des ÖVP-Fotografen* Jakob Glaser (kleines Bild) wirft die Frage auf, ob es sich bei der Bildauswahl nicht vielmehr um gezielte Meinungsmache handelt:

Wie ÖVP-Mitarbeiter Gerhard Loub in seinem Blog dokumentiert, hat auch der „Falter“ – allerdings als das tradionell eher glossenhafte „Bild der Woche“ – seine politische Ausrichtung darüber Herr werden lassen, jene Aufnahme zu veröffentlichen, in der sich das Kind von Kurz abwendet und man gezielt den Eindruck bekommt, wie unerwünscht sein Besuch sogar bei Kleinkindern sei.

Die Kommentare unter seinem Blogartikel sind lesenswert: Zwei Fotografen behandeln die Thematik, wie parteiisch ein Bild ausgewählt werden darf und welche Rolle die bildlichen Inszenierungen der Politik spielen dürfen. Standard-Fotograf Heribert Corn habe sein Bild mit „Ich bin unparteiisch, weil ich lasse wenn’s geht alle schlecht aussehen“ kommentiert.

Danke an auch an Lisa Oberndorfer, Jürg Christandl und Jakob Glaser.

* Laut seinem Xing-Profil.

Update: Der Projektleiter des besuchten Integrationsprojekts berichtet in den Kommentaren von Kurz‘ Besuch:

Das Bild ist übrigens nicht inszeniert. Das Kind hat Spaß daran gefunden, am Tisch liegende, bunte Kunststoffplättchen auf den Boden zu werfen, Sebastian Kurz ist (..) aufgestanden und hat sie ihm aufgehoben. Dabei ist dieses Foto entstanden. (..) Der kleine Mohammed hat das Spiel “ich werf’s runter, der Onkel hebt’s auf” -altersentsprechend- öfter wiederholt (und Kurz hat mitgespielt).

Dieser Tage kommt die neue Spielekonsole Nintendo 3DS in die österreichischen Läden. Das Ding hat einen innovativen 3D-Bildschirm, der ein 3D-Bild ohne spezielle Brille ermöglicht, und wird wohl deshalb von Thomas Vašek in der aktuellen Ausgabe des „Falter“ besprochen.

Vašek ist begeistert von diesem 3D-Effekt, den er am Beispiel des Spiels „Streetfighter“ [sic] beschreibt. Zweifelhaft ist aber, ob er das Game wirklich ausprobiert hat, denn Vašek schreibt:

Endlich hat man beim „Streetfighter“-Ballern das Gefühl, dass einem die Kugeln wirklich um die Ohren fliegen.

Dumm nur, dass in Super Street Fighter IV (so die korrekte Schreibweise von „Streetfighter“) nicht geballert wird und einem deshalb auch keine Kugeln um die Ohren fliegen.

„Falter“-Herausgeber Armin Thurnher vergleicht die Bewohner der Internetgemeinde gerne väterlich liebevoll mit Meerschweinchen („weil sie so zuverlässig auf Reize reagieren“). Ich hätte da auch einen possierlichen Nager für seine Zunft: Den Lemming.

Raimund Löw schreibt diese Woche im „Falter“ über „Die Treibjagd des Westens gegen Julian Assange“ und stellt unter anderem fest:

Mike Huckebee [sic!], ein Präsidentschaftskandidat der Republikaner, würde ihn am liebsten hinrichten lassen.

Das Geräusch, das jetzt einige vernehmen, das ist nur BILDblogger und Journalist Stefan Niggemeier, wie er an seinem Beißholz nagt. Wies er doch gestern, schon leicht verzweifelnd, zum wiederholten Mal darauf hin, dass Mike Huckabee eben nicht die Todesstrafe für Wikileaks-Gründer Julian Assange gefordert hat. Sondern, wegen Hochverrats, für jenen Maulwurf im Staatsdienst, der die Informationen an Wikileaks weitergab.

Immerhin befindet sich der „Falter“ in bester Gesellschaft: AFP, dpa, FAZ, Spiegel und sogar die New York Times haben die Ente auch geschluckt gedruckt.

Als Anzeichen einer möglichen Verschwörung gegen Assange führt Löw übrigens u.a. an:

Bei seinen Reisen fühlt er sich beschattet, Gepäcksstücke verschwinden auf mysteriöse Weise.

Da kann ich Julian Assange beruhigen: es wäre weitaus verdächtiger, wäre auf seinen zahllosen Reisen nie ein Gepäcksstück mysteriös verschwunden.

In eigener Sache: Heute beginnt die Wintersemester-Ausgabe der Lehrveranstaltung am Publizistikinstitut, für das ich Kobuk.at letztes Frühjahr gestartet habe. Allerdings ist Kobuk längst mehr als ein Uniprojekt, dank vieler engagierter Gastautoren, allen voran Hans Kirchmeyr.

Von ihm stammt auch der Artikel „Implosion einer Krone-Titelstory„, den auch der „Falter“ in seiner heutigen Ausgabe erwähnt. Dieser beehrt uns mit einem Artikel unter dem Titel „Die Wachhunde der Wachhunde“ – im Volltext nachzulesen im Blog von Autorin Ingrid Brodnig. Gleich mache ich mich auf den Weg in die Marc-Aurel-Straße, um die 20 Falter-Exemplare abzuholen, die uns dankenswerterweise zur Verfügung gestellt werden.

(Danke an Robert Harm für den Scan!)