Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kategorie: Kleine.at

Die „Sport Bild“ hat am 20. März exklusiv in der Printausgabe berichtet, der Extremsportler Felix Baumgartner wolle zum Mond fliegen und suche noch einen Sponsor. Die dpa verbreitete die Nachricht, die APA übernahm sie.  Nahezu alle größeren österreichischen Medien ebenso wie etliche deutsche Zeitungen veröffentlichten die Geschichte. Aber niemand fragte nach, ob die Meldung stimmt. So machte eine Ente ihre Runde.

Die Gratiszeitung „Heute“ brachte die Story am nächsten Tag sogar aufs Cover : „Ich will auf den Mond fliegen“. Die Online-Ausgaben der Kleinen Zeitung, News, Kurier, Salzburger Nachrichten, Kronen Zeitung, Standard, Ö3, und viele mehr stellten die Geschichte vom geplanten Mondflug mit leichten Variationen ins Netz. Die Salzburger Nachrichten, Kleine, Kurier u.a. brachten die Story auch gedruckt.

Nachdem am Sonntag auch „Österreich“ die Geschichte groß brachte, wurde es „Super-Felix“ offenbar zu viel.  Auf Facebook dementierte Felix Baumgartner die Spekulationen.

Es ist immer wieder bemerkenswert mit welcher „billigen effekthascherei“ manche Medienvertreter versuchen Auflage zu machen!!! Als ich neulich beim Laureus Award gefragt wuerde ob ich noch Traeume habe sagte ich:“ Ja, ich wuerde gern zum Mond fliegen“. Daraus wurde dann- „Felix plant naechsten Coup!!“ Diese headline ist so weit von der Wahrheit entfernt wie die Erde vom Mond. Es gibt weder Plaene noch wurde jemals mit meinem langjaehrigen Partner Red Bull darueber gesprochen!!! Ich konzentriere mich in Zukunft auf’s Helikopter fliegen und meine Aufgabe als UN Botschafter. Also liebe Medienvertreter, wenn euch guter Journalismus am Herzen liegt dann schreibt Ihr genau das!! Wenn nicht- habt ihr mir recht gegeben!!Lg Euer Felix

Update: Die APA hat die Meldung von der dpa übernommen. Wir haben das oben im Text entsprechend ergänzt.

Über Tote soll man nicht schlecht sprechen. Das hat die APA hier allerdings etwas zu wörtlich genommen:

(Klicken für Zoom)

Tiroler „Wasserbeleber“ Johann Grander gestorben

[…] Die Technologie wird inzwischen weltweit in den unterschiedlichsten Bereichen wie Industrie, Hotellerie und Gastronomie, Landwirtschaft und vor allem im Privatbereich eingesetzt. Für seine Verdienste und sein Lebenswerk wurde Grander mehrfach ausgezeichnet.

Es fällt kein kritisches Wort. Dabei ist Granders teure „Technologie“ wissenschaftlich und juristisch gesehen — wie soll man’s freundlich sagen — schlicht wirkungslos.

Auch unterschlägt die APA, dass es überparteiliche Bemühungen gab, Johann Grander das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst wieder abzuerkennen, weil er

[…] nachweislich überhaupt keine Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft erbracht hat.

Unter anderem Die Presse und Kleine Zeitung haben den APA-Artikel online 1:1 übernommen und ihre Foren mittlerweile wegen Verstößen gegen die Kommentarregeln geschlossen. Der Standard hingegen hat nach heftiger Kritik im Forum die Agenturmeldung redaktionell ergänzt und weist nun immerhin schon eingangs auf die Wirkungslosigkeit hin.

Redaktionell ergänzt hat den Nachruf auch die U-Bahnzeitung „Heute“ — auf ihre Art — sie erklärt ihren Lesern in einem langen Online-Artikel „das Geheimnis des Grander-Wassers“. Unter anderem erfährt man da:

Wasser besitzt ein Immunsystem. […] Zwar sprudelt es frisch und wertvoll aus der Quelle, doch lange Transportwege, Druck in Leitungen, Handy-, Funk- und Radiowellen wirken negativ auf das Wasser ein – es verliert seine Lebendigkeit und erschlafft.

„Heute“-Leser kennen das Gefühl.

Drastische Erhöhung der Hundesteuer in Wien! Wie drastisch, scheint für viele JournalistInnen nebensächlich zu sein. Denn Orf.at, Kleine.at, Krone.at, Oe24.at, Wienerzeitung.at, DerStandard.at und DiePresse.com verwendeten offenbar mehr Zeit darauf, möglichst süße Hundefotos zu finden, als nachzurechnen: Eine Änderung 43,60€ auf 72€ entspricht einer Erhöhung von 65,14%.

Den Ursprungsfehler dürfte die APA gemacht haben, auf die sich die meisten Medien beziehen. Einige Medien haben den Fehler inzwischen unauffällig korrigiert.

Den Hundefoto-Kindchenschema-Wettbewerb hat meines Erachtens übrigens Krone.at gewonnen.

Nachtrag: Inzwischen haben alle der genannten Medien den Fehler ausgebessert.

Irlands Finanzkrise beherrscht die Schlagzeilen in ganz Europa, immer öfter ist jedoch auch von der sogenannten Pferdekrise die Rede. Wie Standard, SN, Kleine Zeitung, Presse, OÖN oder auch die Süddeutsche berichten, droht bis zu „20.000 herrenlosen Pferden“ in diesem Winter ein qualvoller Hungertod, da sich ihre Besitzer die Haltung – als direkte Folge der Wirtschaftskrise – nicht mehr leisten könnten. Die meisten beziehen sich dabei auf einen Artikel von Spiegel Online, dem zufolge sogar „mehr als 20.000 Pferde auf der Kriseninsel umherirren“ sollen.

Die herzzerreißende Story hat allerdings gleich mehrere Haken: Weder sind Stray Horses ein neues Phänomen – der „Independent“ berichtete z.B. schon 2005 davon, also lang vor der Finanzkrise, noch konnten wir die Zahl von 20.000 Pferden irgendwo in irischen Medien finden.

Im April 2009, als die Zahl vermutlich erstmals auftaucht, und zwar auf BBC News, wird ein Tierschützer noch mit „20.000 Pferden, die niemand will“ zitiert, von streunenden ist noch nicht die Rede. Im Juni wird sie in einem Interview der Deutschen Welle zur „Zahl, die möglicherweise stimmen könnte“ (was auch immer das heißen mag) und im Oktober sind es im Guardian dann „möglicherweise besitzerlose Pferde“. Spiegel Online schreibt von Schätzungen irischer Tierschützer zu herumstreunenden Pferden, was u.a. in der Kleinen Zeitung zur Tatsache wird: „Wie Spiegel Online berichtet, irren (..) etwa 20.000 Pferde herrenlos umher.“ Stille Post par excellence.

Eines haben alle Berichte gemein: Die Quelle ist immer die – spendenfinanzierte – Dubliner Tierschutzorganisation DSPCA, meist in Form ihres Sprechers, Jimmy Cahill. Deren Mutterorganisation ISPCA auf unsere Frage nach einer verlässlichen Quelle:

There are no definitive numbers on horses abandoned in Ireland, our Inspectors have brought in 13 horses in 2007, 16 in 2008, 23 in 2009 and 41 so far this year.

Nicht nur irische Medien und Websites irischer Behörden schweigen sich zu dieser Pferdekrise erschreckenden Ausmaßes aus, auch die Tierschützer selbst wollen sie also nicht explizit bestätigen.

Offenbar wollte man der doch abstrakten Finanzkrise ein konkretes Gesicht geben. Schade, dass dies nicht mit einer Geschichte geschehen ist, deren Fakten stimmen. Oder, um es in den Worten eines in Irland lebenden Spiegel.de-Users zu sagen:

Mit der Wirtschaftskrise hat das nichts zu tun und wenn hier 20 000 herrenlose Pferde rumlaufen würden, wäre das sicherlich schon jemandem aufgefallen…so einen Unsinn habe ich wirklich lange nicht mehr gelesen!

Das krisengeschüttelte Irland und Haustiere, dieser verlockenden Kombination konnten offenbar auch Qualitätsjournalisten nicht widerstehen, trotz mangelhafter Quellenlage.

Update: Spiegel Online entschärfte den Artikel nach unserer Veröffentlichung und fügte diesen Absatz hinzu:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand die Zwischenzeile „Mehr als 20.000 Pferde sollen auf der Kriseninsel umherirren“. Dies ist falsch. Tatsächlich geht es um 20.000 Pferde, die nach einer Schätzung der Tierschutzorganisation DSPCA nicht mehr benötigt werden, weil viele Betriebe mit bis zu 200 Pferden seit dem Crash auf dem irischen Pferdemarkt kein Geld mehr einbrächten.

Nationafeiertage scheinen mediale Mikro-Saure-Gurken-Zeit zu sein: Ausgehend von einer APA-Meldung wurde von vielen Zeitungen Österreichs, wie DerStandard.at, „Österreich“ und Kleine Zeitung kurz vor dem Nationalfeiertag eine Studie des Zentrums für Zukunftsstudien an der Fachhochschule Salzburg zitiert, wonach jeder zweite Österreicher „stolz“ auf sein Heimatland ist. In allen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse in den verschiedenen Bundesländern erheblich variieren.

Doch wie sicher können solche Daten sein, wenn eine Stichprobe von nur 1000 Personen für ganz Österreich auch noch auf die Bundesländer verteilt wird? Diese 1000 Personen können mathematisch auf zwei Arten auf die Bundesländer verteilt werden. Österreich teilt sich in neun Bundesländer auf, wenn man dies durchrechnet, dann sind das im Falle dieser Umfrage im Schnitt etwa 111 Befragte pro Bundesland.

Wurde die Stichprobengröße jedoch der Einwohnerzahl angeglichen, dann wurden in Wien 200 Personen befragt und im Burgenland nur noch 30. Auffallend ist zumindest, dass es in Burgenland und Vorarlberg, den kleinsten Bundesländern, der Ausschlag am höchsten ist. Liegt das vielleicht daran, dass nur eine Handvoll Menschen befragt wurde, die für ein beinahe zufälliges Ergebnis sorgen?

Über die richtige Größe der Stichproben für eine valide Aussage streiten sich die Geister, obwohl anzunehmen ist, dass hier beide Arten der Verteilung der 1000 Befragten zu keinem befriedigenden Ergebnis führen: Nach diesem Stichprobenkalkulator dürften 111 Personen für Wien (bei Methode A) oder 30 Personen für das Burgenland (bei Methode B) jedenfalls sehr deutlich zu wenig sein.

Die Medien, die solche APA-Meldungen drucken, scheinen die Angaben leider nicht zu hinterfragen.

Am 12.10. erschien im „Standard“ und auf DerStandard.at eine (vermutlich von der APA kommende) Meldung unter dem Titel:

Fahrraddiebstahl: Wien unter Top drei in Europa

Das deutsche Online Portal Geld.de hatte in einer Studie die Zahl der Fahrraddiebstähle in 60 Städten in Deutschand, Österreich und Schweiz erhoben.

Screenshot derStandard.at

Screenshot derStandard.at

Die drei deutschsprachigen Länder wurden also kurzerhand zu ganz Europa gemacht und Wien dann gleich aufs Stockerl gehievt.

Auch die Aussage, Wien befände sich unter den Top 3 der untersuchten 60 Städte im deutschsprachigen Raum befindet kann nicht unkommentiert werden lassen: So ist es wenig verwunderlich, dass die Anzahl der Fahrraddiebstähle neben Hamburg und Berlin in Wien am größten ist, sind diese drei Städte doch auch die drei größten im deutschsprachigen Raum.

Bei einem genaueren Blick zeigt sich, dass bei der Zahl der Diebstähle umgerechnet auf die Einwohnerzahl Münster, Bern und Basel die Statistik anführen.

Die Kleine Zeitung war im Stande, die Statistik korrekt zu interpretieren und berichtet über Graz auf Platz sieben der Liste.

Von der Standard-Headline „Wien unter Top drei in Europa“ bleibt jedoch nicht viel über.

Ausgehend vom Eindruck, dass seit dem Beschluss der Griechenlandhilfe die Anzahl der Artikel sukzessive abnimmt, habe ich die Suchfunktionen von den Onlineportalen diverser Zeitungen gequält und die Ergebnisse in folgender Grafik zu verdeutlichen versucht:

Ich habe dazu die Suchfunktion der jeweiligen Portale genutzt und nach dem Stichwort „Griechenland“ gesucht. Natürlich rutschen dabei auch Artikel in die Ergebnisse, die nichts mit der Krise an sich zu tun haben.

Für die Anzahl der Artikel bis Ende Mai habe ich die Artikel von 16. Mai bis heute (5 Tage) mal drei genommen und damit ungefähr den Zeitraum von 16. bis 31. Mai (15 Tage) abgedeckt. Meiner Meinung nach werden es jedoch weniger Artikel werden, da das mediale Interesse seit dem Beschluss Anfang Mai am sinken zu sein scheint (mit Ausnahme der Portale heute.at und faz.net).

Die Kleine Zeitung rechnete nach, wie viel alleine die Regierungsbüros der neun Landesregierungen kosten.  Zahlen alleine sind abstrakt, da braucht es Maßstäbe:

Im nationalen Vergleich haben fast alle Landesräte größere Mitarbeiterstäbe als jeder Bundesminister. Rekordhalter sind Landeshauptmann Franz Voves mit 26, sowie seine Stellvertreter Hermann Schützenhöfer mit 22 und Siegfried Schrittwieser mit 18 Mitarbeitern. Diese drei schlagen sogar EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, dessen Kabinett laut EU-Verfassung maximal 17 Mitarbeiter umfassen darf.

Wenn damit der Lissabon-Vertrag gemeint ist (der Verfassungsvertrag trat nie in Kraft), steht da nicht wie viele Mitarbeiter der Präsident haben darf. Den gesamten 408-seitigen Vertrag habe ich mir nicht durchgelesen, aber nach entsprechenden Keywords durchsucht und betreffende Absätze gelesen. Auch in der Geschäftsordnung der Komission habe ich nichts gefunden.

Auf der Homepage des Kommissionspräsidenten Barroso stehen unter „Mein Team“ jedenfalls nicht 17 sondern insgesamt 40 Mitarbeiter, die meisten davon sogar mit Bild.

Danke an Thomas Knapp für den Hinweis, auf Twitter fragend:

Hat Barroso niemand gesagt, dass er nur 17 Mitarbeiter haben darf, wie die „Kleine“ behauptet?

Update (25.05.):

Wir wollten der Sache auf den Grund gehen und haben bei der österreichischen Vertretung der Europäischen Kommission nachgefragt – und umgehend eine ausführliche Antwort bekommen.

Demnach darf ein “gewöhnlicher” Kommissar 17 Mitarbeiter haben. So dürfte auch die Kleine Zeitung auf ihre Zahl gekommen sein, hat sie allerdings fälschlich auf den Präsidenten bezogen. Barroso darf  in der aktuellen Legislaturperiode 31 Mitarbeiter einstellen, in der Periode davor waren das noch 30. Die Differenz auf die 40 online aufgeführten Mitarbeiter erklärt sich durch Mitarbeiter des Sprecherdienstes der Kommission, welcher administrativ nicht dem Präsidenten zugeordnet ist.

Als Quelle gab die Kleine Zeitung  den „Verfassungsvertrag“ an. Selbst wenn man damit den Lissabon-Vertrag meint, ist die Quellenangabe falsch, denn die Anzahl der Mitarbeiter bestimmt der Präsident selbst. Dazu ist er nach Artikel 19 der Geschäftsordnung der Europäischen Kommission befugt.

Übrigens: Fast genau eine Woche vor der Kleinen Zeitung hat schon die Kronen Zeitung über die „Steuergeldverschwendung“ geschrieben. Auch der Wortlaut ist ziemlich ähnlich. Allerdings darf Barroso in der Krone 18 Mitglieder haben.

Abschließend noch mein Dank an den Mitarbeiter der österreichischen Vertretung der Europäischen Kommission, Bernhard Kühr. Innerhalb eines Werktages wurde meine Frage umfassend beantwortet.

Das Rezept ist einfach:

  1. Copy and Paste, eine passende Überschrift, für ganz fleißige noch eine Unterüberschrift. Und nach 5 Minuten bei 280°C haben Sie einen fertigen Törtchen- Bericht für Ihre Online-Ausgabe. Weiterverwendung für Print, TV und Radio möglich.
  2. Auch wenn die APA-AGBs (pdf) dies eigentlich verbieten: Verzichten Sie auf Quellenangaben, denn auch gute Köche verraten ihre Rezepte nie.

Wenn es Ihnen gelungen ist, können Sie dieses Rezept mit anderen Freunden teilen und dann haben Sie viele identische APA-Törtchen. Viel Spaß beim Nachbacken!

Sie zweifeln noch? Backen Sie einfach dieser APA-Meldung nach. Orientieren Sie sich dabei an Kleiner Zeitung, OÖ Nachrichten, Krone.at oder Vorarlberg-Online.

Lu•der das; -s, –; gespr! pej; verwendet als Schimpfwort für eine Frau (ein freches, unverschämtes, dummes Luder)

Ob Beschimpfungen oder abfällige Bemerkungen – nicht nur Ausländer müssen in österreichischen Boulevardzeitungen einiges über sich ergehen lassen, auch Frauen: Medien wie Kleine Zeitung, Oe24.at, Heute.at und Krone.at wollen mit Obszönität das Interesse des Lesers wecken und verpassen gleichzeitig der weiblichen Selbstachtung einen Schlag unter die Gürtellinie. Es bräuchte eine „Schwarze Liste“ um endlich der Inflation von Ausdrücken, die sich besonders gegen Frauen richten, ein Ende zu machen!

Definition: TheFreeDictionary.com