Kobuk.at hat drei Monate lang alle Meinungselemente der Tageszeitungen „Die Presse“, „Der Standard“, „Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“ analysiert. 68 Prozent aller Kommentare, Glossen und Kolumnen wurden dabei von Männern geschrieben; sieht man sich nur die Leitartikel an, ist das Missverhältnis noch deutlicher: Frauen haben weniger als ein Fünftel dieser Texte verfasst.
Kritische Kommentare, satirische Glossen, humorvolle Rezensionen: Persönliche Meinung kommt in österreichischen Tageszeitungen nicht zu kurz. Meinungsartikel beeinflussen, worüber eine Gesellschaft spricht, was überhaupt als Nachricht wahrgenommen wird oder welche Themen auf Twitter besonders polarisieren – und ziemlich oft stammen sie in Österreich von Männern.
Kobuk.at hat zwischen 1. Oktober und 31. Dezember 2022 alle Print-Ausgaben von „Die Presse“, „Der Standard“, „Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“ auf diverse Meinungsartikel hin untersucht. Insgesamt wurden in allen vier Tageszeitungen 2.741 Leitartikel, Kommentare, Glossen oder Kolumnen abgedruckt. 1.869 davon waren von Männern – also etwa 2 von 3 Texten, gerade einmal 872 von Frauen. Männer waren damit Verfasser von 68 Prozent aller Meinungselemente.
Einen starken Männer-Überhang gab es dabei nicht nur in den Boulevard- und Mid-Market-Blättern („Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“), sondern auch in den Qualitätsmedien „Die Presse“ und „Der Standard“.
So bat die bürgerlich-konservative Tageszeitung „Die Presse“ im dreimonatigen Beobachtungszeitraum Männer 494 Mal (72 Prozent der Meinungsartikel) um ihre Meinung zu aktuellen Themen, Frauen hingegen nur 190 Mal (28 Prozent). „Der Standard“ verfügt zwar seit über 20 Jahren über ein eigenes Ressort für Frauenpolitik mit eigener Website (dieStandard.at), aber auch dort waren 63 Prozent der Meinungsartikeln von Männern – 37 Prozent von Frauen. Das ist zwar besser als in der „Kronen Zeitung“, aber nicht viel besser – hier waren 72 Prozent der Texte von Männer, 28 Prozent von Frauen.
Wo sind die Frauen?
Bemerkenswert ist aber nicht nur, wie selten Frauen Meinungsartikel schreiben, sondern auch worüber. So zeigt die Kobuk-Analyse, dass Frauen überwiegend über sogenannte klassische Frauenthemen schreiben: Familie, Gesundheit, Liebe oder Kunst und Kultur. Insbesondere am Wochenende – und vorwiegend in den Sonntagsausgaben in Form von Glossen, Kolumnen oder Rezensionen.
Selbst wenn Frauen politische Kommentare schreiben, dann waren es häufig Frauenthemen: Proteste im Iran, Gewalt gegen Frauen, oder Gleichberechtigung der Geschlechter, Kinderbetreuung, Gesundheitspolitik oder Equal Pay Day. Die große Mehrheit der Hard-News-Themen wie politische und wirtschaftliche Kommentare war klar männerdominiert, siehe Grafik. Überspitzt gesagt: An vielen Tagen kommentieren in österreichischen Zeitungen Männer auf den vorderen Seiten über die Regierung, Steuerreform und Korruption, und auf den hinteren Seiten Frauen über Beziehungen und wie schwierig es ist einen Kindergarten-Platz zu bekommen.
Leitartikel, das wohl wichtigste Aushängeschild eines Printmediums (gibt es bei den ausgewählten Medien nur in „Die Presse“ und „Kleine Zeitung“, Anm.), wurden Frauen nur in 33 Fällen überlassen. Männer durften sich für den prominenten ‚Platz gegenseitig 137 Mal das Wort reichen (80 Prozent).
Stichwort traditionell männlich/weiblich konnotierte Themen: In den Sportressorts, wo Frauen nach wie vor eine Branchenminderheit darstellen, war das Ungleichgewicht erwartungsgemäß besonders stark ausgeprägt: Weibliche Stimmen zu Sportereignissen gab es in allen Medien nur 15 Mal. Zum Vergleich: Männer schrieben 97 Mal über Wettbewerb, Sport und Spiel.
Woher kommt die Diskrepanz?
In Österreichs Redaktionen arbeiten laut dem Österreichischen Journalismusreport heute etwa gleich viele Frauen wie Männer. In den Führungsetagen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert: In allen vier Medien sitzen Männer in den Sesseln der Chefredakteure – und Kommentare werden nun mal häufiger von leitenden Redakteur:innen verfasst.
Aber nicht nur. Neben den Meinungsartikeln der Journalist:innen, gibt es in allen vier Zeitungen auch Kolumnen und Kommentare von Gastautor:innen. Wenn eine Zeitung also wirklich möchte, könnte sie das redaktionsinterne Geschlechterungleichgewicht damit aufheben und auf 50 Prozent Frauenquote kommen. Doch auch hier zeigt die Analyse klar: Weitaus mehr hausfremde Experten als Expertinnen bekommen eine mediale Plattform.
Kommentar der anderen (Männer)
In der „Kronen Zeitung“ etwa wurden externe Autoren 91 Mal (63 Prozent) abgedruckt, externe Autorinnen nur zu 54 Anlässen (37 Prozent). In dieser Kategorie ist der linksliberale Standard sogar deutlich schlechter als die Krone: 137 Gastkommentatoren (81 Prozent) standen dort 33 Gastkommentatorinnen (19 Prozent) gegenüber. Wenn also im Standard auf der Meinungsseite „Kommentar der anderen“ Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen über aktuelle Geschehnisse schreiben, waren das somit in aller Regel Männer.
Tage zu finden, in denen Frauen öfter zu Wort kamen als Männer, wurde zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen. In drei Monaten kam das nur in 50 der insgesamt 346 Ausgaben vor. Demgegenüber gab es 38 Ausgaben aller vier Medien, in denen kein einziger Kommentar von einer Frau abgedruckt. Allein 25 Tage davon sind der „Kronen Zeitung“ zuzurechnen, einmal gleich an drei aufeinanderfolgenden Tagen, an denen jeder einzelne Meinungsartikel von Männern verfasst wurde.
Ein verfrühtes Geschenkt bereitete die „Kleine Zeitung“ in der letzten Adventwoche: Zum ersten (und letzten Mal) in drei Monaten kam am 21. Dezember vor, dass in einer Ausgabe kein einziges Mal ein Meinungsartikel von einem Mann veröffentlicht wurde. Alle Kommentare, Glossen und Kolumnen haben Frauen verfasst, auch den Leitartikel (über den Equal Pay Day). Ein Weihnachtswunder – jedenfalls in Österreich.
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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.
1. Die „Kleine Zeitung“ lässt am 25.05. in einem Bericht über Tornados in den USA vier Tote sterben:

2. Wie man solche Fehler vermeidet, zeigt die Printausgabe der „Presse“ am 29.05. auf Seite 45:

3. Der ORF verwandelt am 12.04. Staatssekretär Sebastian Kurz im Interview zu einer Frau Schittenhelm (nach 4:20 min):

4. Nach dem Erdbeben in Japan war man bei Oe24.at so verwirrt, dass man seitdem die Erdrotation im gleichen Artikel für um 1,8 Mikrosekunden erhöht und weniger Zeilen darunter wieder für verkürzt hält:

Herzlichen Dank u.a. an Tom und Klaus für die Hinweise.
Wie mangelnde Sorgfalt im journalistischen Alltag Aussagen von Politikern ins Lächerliche ziehen kann, beweist die Steiermarkausgabe der „Kleinen Zeitung“ vom 15.4.
Auf Seite 25 findet sich ein Artikel über die Landesbudgetdebatte in der Steiermark, in der u.a. die KPÖ für Vermögens- und Kapitalsteuern eintritt. So hätte man im Zuge einer Pressekonferenz vorgerechnet, dass man über Landesabgaben mindestens 45.000€ einnehmen könnte.
45.000€? Der Betrag würde vielleicht für einen besseren Dienstwagen reichen, aber ob er einen bedeutenden Beitrag zur Sanierung des Budgets darstellt, darf bezweifelt werden.
Aufklärung findet man dann auf der Homepage der KPÖ. Dort wird von „über 40 Mio. Euro pro Jahr“ gesprochen. Die „Kleine Zeitung“ hat also ganze drei Nullen weg gelassen.
(Vielen Dank an einen aufmerksamen Leser für den Hinweis.)
Gestern um 14:13 berichtete die APA über das steirische Sparbudget und die dazu gehörige Diskussion im Landtag. Auch die Kleine Zeitung zog um 14:23 nach und veröffentlichte einen Artikel dazu. Und natürlich ist auch auf ORF Steiermark ein Bericht darüber zu lesen.
Klingt im ersten Moment alles ganz normal. Komisch nur, dass diese Sitzung erst rund zwei Stunden später um 16 Uhr statt fand, so unser Hinweisgeber Bernd Pekari. Auf der Homepage des Landtags wurde die Sitzung per Livestream übertragen, der bestätigte, dass die Anträge erst ab 16 Uhr diskutiert wurden.
Wie würdet ihr diesen WikiLeaks-Tweet interpretieren?

Drei Antwortmöglichkeiten:
- „Die heutige Aktion gegen unseren Chefredakteur Julian Assange wird unsere Arbeit nicht beeinträchtigen“, kündigten die Aktivisten über den Online-Dienst Twitter an. Die nächste Veröffentlichung geheimer Dokumente des US-Außenministeriums werde sogar noch mehr Papiere als üblich enthalten.
- „Die heutige Aktion gegen unseren Chefredakteur Julian Assange wird unsere Arbeit nicht beeinträchtigen. Wir werden heute Nacht mehr Botschaftsdepeschen veröffentlichen als normal.“
- „Die heutigen Maßnahmen gegen unseren Chefredakteur Julian Assange werden unseren Betrieb nicht beeinflussen. Wir werden wie üblich heute Nacht weitere Botschaftsdepeschen veröffentlichen.“
Die Auflösung:
Antwort 1 stammt von ORF.at und (interessanterweise wortgleich, obwohl ein Hinweis auf eine Agenturmeldung fehlt) Kleiner Zeitung.
Antwort 2 hat sich Spiegel Online ausgedacht (wurde bereits korrigiert).
Antwort 3 stammt vom BILDblog – und ist die richtige Antwort.
Irlands Finanzkrise beherrscht die Schlagzeilen in ganz Europa, immer öfter ist jedoch auch von der sogenannten Pferdekrise die Rede. Wie Standard, SN, Kleine Zeitung, Presse, OÖN oder auch die Süddeutsche berichten, droht bis zu „20.000 herrenlosen Pferden“ in diesem Winter ein qualvoller Hungertod, da sich ihre Besitzer die Haltung – als direkte Folge der Wirtschaftskrise – nicht mehr leisten könnten. Die meisten beziehen sich dabei auf einen Artikel von Spiegel Online, dem zufolge sogar „mehr als 20.000 Pferde auf der Kriseninsel umherirren“ sollen.

Die herzzerreißende Story hat allerdings gleich mehrere Haken: Weder sind Stray Horses ein neues Phänomen – der „Independent“ berichtete z.B. schon 2005 davon, also lang vor der Finanzkrise, noch konnten wir die Zahl von 20.000 Pferden irgendwo in irischen Medien finden.
Im April 2009, als die Zahl vermutlich erstmals auftaucht, und zwar auf BBC News, wird ein Tierschützer noch mit „20.000 Pferden, die niemand will“ zitiert, von streunenden ist noch nicht die Rede. Im Juni wird sie in einem Interview der Deutschen Welle zur „Zahl, die möglicherweise stimmen könnte“ (was auch immer das heißen mag) und im Oktober sind es im Guardian dann „möglicherweise besitzerlose Pferde“. Spiegel Online schreibt von Schätzungen irischer Tierschützer zu herumstreunenden Pferden, was u.a. in der Kleinen Zeitung zur Tatsache wird: „Wie Spiegel Online berichtet, irren (..) etwa 20.000 Pferde herrenlos umher.“ Stille Post par excellence.
Eines haben alle Berichte gemein: Die Quelle ist immer die – spendenfinanzierte – Dubliner Tierschutzorganisation DSPCA, meist in Form ihres Sprechers, Jimmy Cahill. Deren Mutterorganisation ISPCA auf unsere Frage nach einer verlässlichen Quelle:
There are no definitive numbers on horses abandoned in Ireland, our Inspectors have brought in 13 horses in 2007, 16 in 2008, 23 in 2009 and 41 so far this year.
Nicht nur irische Medien und Websites irischer Behörden schweigen sich zu dieser Pferdekrise erschreckenden Ausmaßes aus, auch die Tierschützer selbst wollen sie also nicht explizit bestätigen.
Offenbar wollte man der doch abstrakten Finanzkrise ein konkretes Gesicht geben. Schade, dass dies nicht mit einer Geschichte geschehen ist, deren Fakten stimmen. Oder, um es in den Worten eines in Irland lebenden Spiegel.de-Users zu sagen:
Mit der Wirtschaftskrise hat das nichts zu tun und wenn hier 20 000 herrenlose Pferde rumlaufen würden, wäre das sicherlich schon jemandem aufgefallen…so einen Unsinn habe ich wirklich lange nicht mehr gelesen!
Das krisengeschüttelte Irland und Haustiere, dieser verlockenden Kombination konnten offenbar auch Qualitätsjournalisten nicht widerstehen, trotz mangelhafter Quellenlage.
Update: Spiegel Online entschärfte den Artikel nach unserer Veröffentlichung und fügte diesen Absatz hinzu:
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand die Zwischenzeile „Mehr als 20.000 Pferde sollen auf der Kriseninsel umherirren“. Dies ist falsch. Tatsächlich geht es um 20.000 Pferde, die nach einer Schätzung der Tierschutzorganisation DSPCA nicht mehr benötigt werden, weil viele Betriebe mit bis zu 200 Pferden seit dem Crash auf dem irischen Pferdemarkt kein Geld mehr einbrächten.
Nationafeiertage scheinen mediale Mikro-Saure-Gurken-Zeit zu sein: Ausgehend von einer APA-Meldung wurde von vielen Zeitungen Österreichs, wie DerStandard.at, „Österreich“ und Kleine Zeitung kurz vor dem Nationalfeiertag eine Studie des Zentrums für Zukunftsstudien an der Fachhochschule Salzburg zitiert, wonach jeder zweite Österreicher „stolz“ auf sein Heimatland ist. In allen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse in den verschiedenen Bundesländern erheblich variieren.
Doch wie sicher können solche Daten sein, wenn eine Stichprobe von nur 1000 Personen für ganz Österreich auch noch auf die Bundesländer verteilt wird? Diese 1000 Personen können mathematisch auf zwei Arten auf die Bundesländer verteilt werden. Österreich teilt sich in neun Bundesländer auf, wenn man dies durchrechnet, dann sind das im Falle dieser Umfrage im Schnitt etwa 111 Befragte pro Bundesland.
Wurde die Stichprobengröße jedoch der Einwohnerzahl angeglichen, dann wurden in Wien 200 Personen befragt und im Burgenland nur noch 30. Auffallend ist zumindest, dass es in Burgenland und Vorarlberg, den kleinsten Bundesländern, der Ausschlag am höchsten ist. Liegt das vielleicht daran, dass nur eine Handvoll Menschen befragt wurde, die für ein beinahe zufälliges Ergebnis sorgen?
Über die richtige Größe der Stichproben für eine valide Aussage streiten sich die Geister, obwohl anzunehmen ist, dass hier beide Arten der Verteilung der 1000 Befragten zu keinem befriedigenden Ergebnis führen: Nach diesem Stichprobenkalkulator dürften 111 Personen für Wien (bei Methode A) oder 30 Personen für das Burgenland (bei Methode B) jedenfalls sehr deutlich zu wenig sein.
Die Medien, die solche APA-Meldungen drucken, scheinen die Angaben leider nicht zu hinterfragen.
Am 12.10. erschien im „Standard“ und auf DerStandard.at eine (vermutlich von der APA kommende) Meldung unter dem Titel:
Fahrraddiebstahl: Wien unter Top drei in Europa
Das deutsche Online Portal Geld.de hatte in einer Studie die Zahl der Fahrraddiebstähle in 60 Städten in Deutschand, Österreich und Schweiz erhoben.
Die drei deutschsprachigen Länder wurden also kurzerhand zu ganz Europa gemacht und Wien dann gleich aufs Stockerl gehievt.
Auch die Aussage, Wien befände sich unter den Top 3 der untersuchten 60 Städte im deutschsprachigen Raum befindet kann nicht unkommentiert werden lassen: So ist es wenig verwunderlich, dass die Anzahl der Fahrraddiebstähle neben Hamburg und Berlin in Wien am größten ist, sind diese drei Städte doch auch die drei größten im deutschsprachigen Raum.
Bei einem genaueren Blick zeigt sich, dass bei der Zahl der Diebstähle umgerechnet auf die Einwohnerzahl Münster, Bern und Basel die Statistik anführen.
Die Kleine Zeitung war im Stande, die Statistik korrekt zu interpretieren und berichtet über Graz auf Platz sieben der Liste.
Von der Standard-Headline „Wien unter Top drei in Europa“ bleibt jedoch nicht viel über.
Jetzt ist schon wieder was passiert. In einer Linzer Straßenbahn wurde ein 50- bis 51-Jähriger (hier gehen die Überlieferungen auseinander) niedergeschlagen, nachdem er sich über die laute Handy-Musik eines Jugendlichen beschwert hatte.
Hier ein paar Auszüge aus den Überschriften und Anreißern zu dieser Geschichte:
Weil sich ein Fahrgast über seine Musik am Handy aufgeregt hat, schlug ein Bursche zu. („Österreich“, 21.5.2010)
Ein 51-jähriger Fahrgast beschwerte sich bei einer Gruppe Jugendlicher. Ein 19-Jähriger rastete daraufhin aus, schlug und trat auf sein Opfer ein. (OÖN, 21.5.2010)
Ein Jugendlicher, 19, ging in einer Linzer Straßenbahn auf einen 50-Jährigen los, weil sich dieser über die laute Musik aus dem Handy des Burschen beschwert hatte. (Kurier, 21.5.2010)
In einer Straßenbahn ist am Mittwochabend ein Fahrgast (50) von einem 19-Jährigen verprügelt worden; der Mann hatte sich vorher über die laute Handymusik des Jugendlichen beschwert. (Die Presse, 21.5.2010)
Der Jugendliche ging auf den 50-Jährigen los, nachdem sich dieser über die laute Musik aus dessen Handy beschwert hatte. (Der Standard/APA, 21.5.2010)
Den detailliertesten Bericht lieferte überraschenderweise die Kleine Zeitung. Hier erfährt der geneigte Leser nicht nur, an welcher Haltestelle die Jugendlichen zustiegen (Hauptbahnhof), in welche Linie (Nr. 1), ja sogar fast bei welcher Türe („in den mittleren Wagen der Straßenbahngarnitur“) — auch der arabische Migrationshintergrund des Jugendlichen wird dezent thematisiert.
Kein Detail schien der Kleinen zu … klein, um ihren Lesern den Vorgang möglichst anschaulich und nachvollziehbar darzulegen. Bis vielleicht auf dieses hier:
Als der Bursch den 51-Jährigen auch noch mehrfach antippte, schlug ihm dieser entnervt das lautstark tönende Handy aus der Hand — und wurde daraufhin vom 19-Jährigen niedergeschlagen und auch noch mit Fußtritten attackiert. (Kronen Zeitung, 21.5.2010)
Ja, dass der ältere Herr, der sich bei dem Vorfall glücklicherweise nur leichte Prellungen zuzog, nicht bloß nett gefragt, sondern dem Jugendlichen das Handy aus der Hand geschlagen hatte, bevor die Lage eskalierte, das stand meines Wissens tatsächlich nur in „Österreich“ und Krone.
Die Kleine Zeitung rechnete nach, wie viel alleine die Regierungsbüros der neun Landesregierungen kosten. Zahlen alleine sind abstrakt, da braucht es Maßstäbe:
Im nationalen Vergleich haben fast alle Landesräte größere Mitarbeiterstäbe als jeder Bundesminister. Rekordhalter sind Landeshauptmann Franz Voves mit 26, sowie seine Stellvertreter Hermann Schützenhöfer mit 22 und Siegfried Schrittwieser mit 18 Mitarbeitern. Diese drei schlagen sogar EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, dessen Kabinett laut EU-Verfassung maximal 17 Mitarbeiter umfassen darf.
Wenn damit der Lissabon-Vertrag gemeint ist (der Verfassungsvertrag trat nie in Kraft), steht da nicht wie viele Mitarbeiter der Präsident haben darf. Den gesamten 408-seitigen Vertrag habe ich mir nicht durchgelesen, aber nach entsprechenden Keywords durchsucht und betreffende Absätze gelesen. Auch in der Geschäftsordnung der Komission habe ich nichts gefunden.
Auf der Homepage des Kommissionspräsidenten Barroso stehen unter „Mein Team“ jedenfalls nicht 17 sondern insgesamt 40 Mitarbeiter, die meisten davon sogar mit Bild.
Danke an Thomas Knapp für den Hinweis, auf Twitter fragend:
Hat Barroso niemand gesagt, dass er nur 17 Mitarbeiter haben darf, wie die „Kleine“ behauptet?
Update (25.05.):
Wir wollten der Sache auf den Grund gehen und haben bei der österreichischen Vertretung der Europäischen Kommission nachgefragt – und umgehend eine ausführliche Antwort bekommen.
Demnach darf ein “gewöhnlicher” Kommissar 17 Mitarbeiter haben. So dürfte auch die Kleine Zeitung auf ihre Zahl gekommen sein, hat sie allerdings fälschlich auf den Präsidenten bezogen. Barroso darf in der aktuellen Legislaturperiode 31 Mitarbeiter einstellen, in der Periode davor waren das noch 30. Die Differenz auf die 40 online aufgeführten Mitarbeiter erklärt sich durch Mitarbeiter des Sprecherdienstes der Kommission, welcher administrativ nicht dem Präsidenten zugeordnet ist.
Als Quelle gab die Kleine Zeitung den „Verfassungsvertrag“ an. Selbst wenn man damit den Lissabon-Vertrag meint, ist die Quellenangabe falsch, denn die Anzahl der Mitarbeiter bestimmt der Präsident selbst. Dazu ist er nach Artikel 19 der Geschäftsordnung der Europäischen Kommission befugt.
Übrigens: Fast genau eine Woche vor der Kleinen Zeitung hat schon die Kronen Zeitung über die „Steuergeldverschwendung“ geschrieben. Auch der Wortlaut ist ziemlich ähnlich. Allerdings darf Barroso in der Krone 18 Mitglieder haben.
Abschließend noch mein Dank an den Mitarbeiter der österreichischen Vertretung der Europäischen Kommission, Bernhard Kühr. Innerhalb eines Werktages wurde meine Frage umfassend beantwortet.