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und schauen fern.

Kategorie: Kronen Zeitung

Zwentendorf, Hainburger Au, Gentechnik-Volksbegehren: Die Kronen Zeitung hat in der Vergangenheit immer wieder Stellung bezogen und die österreichische Politik nach ihrem Willen beeinflusst. Ihre Kampagnen genießen in der heimischen Medienwelt so etwas wie Legendenstatus. Der Kampf der Krone gegen Atomkraft, gegen Gentechnik, und für eine bestimmte Art von Umweltschutz (nämlich solange es nicht gegen Autofahrer geht) sind bei der Zeitung inzwischen Teil der Blattlinie geworden.

Deshalb haben wir die Berichterstattung zu diesen Themen während des vergangenen Jahres zum Anlass genommen, einmal genauer hinzusehen: Wie schreibt man eigentlich eine Krone-Kampagne? Eine Anleitung in 6 Schritten:

Die Krone feiert sich gerne für ihren Aktivismus.

Schritt 1: Wähle das richtige Thema!
Nicht alle Geschichten eignen sich gleich gut für Meinungsmache. Man sollte generell die Finger von Themen lassen, bei denen es keine eindeutige „Volksmeinung“ gibt.

Schlaue Krone-Redakteure kampagnisieren deshalb nur dort, wo sie eine große Mehrheit hinter sich wissen. Das hat den Vorteil, dass man selbst dann noch beklatscht wird, wenn man seinen Job als Journalist schlecht macht. Immerhin setzt man sich für die “richtige” Sache ein!

Klima-Aktivisten, Atomkraft und Gentechnik eignen sich deshalb besonders gut für Kampagnen. So weiß der gelernte Österreicher seit Zwentendorf bereits, was er von Atomkraft zu halten hat. Gentechnik hatte hierzulande auch schon immer einen schlechten Ruf. Und: Einer Market-Umfrage zufolge lehnen 70% der Österreicher die Protestaktionen der “Letzten Generation” ab – auch hier bewegt man sich also auf sicherem Territorium.

Schritt 2: Inszeniere einen Kampf “Gut gegen Böse”!
Eine gute Geschichte braucht einen Bösewicht, dessen Opfer, und Helden, die den Tag retten. Das Erfinden kreativer Schimpfnamen ist dabei ein guter Weg, um den Lesern klarzumachen, wer der Feind ist. Die Krone bezeichnete die Klima-Aktivisten (viel zu neutral!) zum Beispiel bald nur noch als “Klebe-Chaoten”, “Klima-Rebellen” oder gar „verhaltensauffällige Pseudo-Klimaschützer”.

Merke: Die EU gibt in der Krone immer ein exzellentes Feindbild ab. Sie leistet ja den “ewiggestrigen Atomanhängern” (1) Vorschub, weil sie den Ungarn erlaubt, staatliche subventionierte Atomkraftwerke zu bauen. Fast könnte man sie als Terrororganisation einstufen, verübt sie mit der Zulassung neuer Gen-Technologien doch “Anschläge” auf die heimischen Bauern (2).

Apropos Terrororganisation: Was wäre ein Bösewicht ohne hinterlistige Pläne und arglistige Motive? Beim Lesen der Krone-Kampagnen wird schnell offensichtlich, dass die EU scheinbar ein Handlanger der französischen Atomlobby (3) und millardenschwerer Agrarkonzerne ist. Die „heimlichen Pläne“ der EU (4) sollen die Profite der Agrar-Multis maximieren. Eine Verschwörung, die aufgedeckt werden muss!

Überzeichnete Feindbilder verleihen der eigenen Geschichten einen besonderen Pep, das lehren uns Rechtspopulisten ebenso wie Fantasy-Autoren à la George R. R. Martin. Aber auch Helden braucht es. Polizisten, zum Beispiel, die den Wiener Verkehr “vor dem Kollaps bewahren”, oder die NGO “Global 2000”, die gegen die Genschere Crispr lobbyiert. Idealerweise steht die eigene Zeitung im Kampf gegen das Böse an vorderster Front – wie die Krone, die sich brüstet: “Damals wie heute sagen wir Nein zur Atomkraft” (5).

Dabei muss es dir egal sein, dass du mit dieser Schwarz-Weiß-Berichterstattung sachliche Diskussion verunmöglichst. Immerhin geht es bei einer Kampagne nicht um Respekt vor unterschiedlichen Sichtweisen, sondern um Stimmungsmache. Deshalb jubiliere, wenn der Feind besiegt ist: “Klebe-Chaotin sitzt jetzt endlich im Gefängnis.”

Schritt 3: Emotionalisiere mit einem Bedrohungsszenario!
Bei einer gut gemachten Krone-Kampagne wissen die Leser, was für sie auf dem Spiel steht. Grundsätzlich gilt dabei: Je übertriebener das Bedrohungsszenario, desto besser. Den Menschen muss bei deinen Berichten richtig Angst und Bange werden: “Alles deutet auf eine Frankenstein-Technologie hin“ (4), schreibt die Krone etwa zur diskutierten Gen-Schere.

Manchmal weiß das Publikum auch noch gar nichts von seinem Leid. So erinnert die Krone die Pendler daran, dass sie eigentlich “mit den Nerven am Ende” sind, weil die Klima-Aktivisten keine längeren Haftstrafen ausfassen. Und weil im Stau stehen bekanntlich genau so schlimm ist, wie existenzielle Geldnöte, im selben Satz auch noch daran, dass sie „von Teuerungs- und Zukunftsängsten geplagt“ sind.

Ab und zu dürfen die Warnungen natürlich auch bis zu einem gewissen Punkt gerechtfertigt sein. So wie die vor der Laufzeitverlängerung des slowenischen Kernkraftwerks Krško, das in einem Erdbebengebiet steht. Die Krone schreibt vom „Steinzeit-AKW“. Dass die IAEA den Meiler als sicher bewertet, weil in der Vergangenheit zahlreiche Modernisierungen vorgenommen wurden, verschweigt sie aber – mehr Angst als notwendig schadet ja nicht.

Schritt 4: Erschaffe eine Echokammer!
Unterschiedliche Standpunkte wiederzugeben gehört eigentlich zu den Hauptaufgaben des Journalismus. Nicht so bei Medienkampagnen: Die Leser sollen ihre eigene Meinung ja nicht hinterfragen oder – Gott bewahre – sogar ändern.

Deshalb ist es klug, wenn die Menschen so wenig wie möglich mit verschiedenen Sichtweisen konfrontiert werden. Tu so, als ob jeder wichtige Akteur auf Blattlinie sei. Etwa die “besonnenen Klimaschützer”, die die “ausufernden Proteste” der “Letzen Generation” ablehnen. Umso besser, wenn sogar eine “Hainburger Umweltlegende” die Klebe-Aktionen als “außerhalb des Verfassungsbogens” und schädlich für die gesamte Ökoszene bezeichnet (6).

Noch viel wichtiger beim Kampagnisieren ist aber, worüber nicht geschrieben wird. In den Krone-Kampagnen letztes Jahr mussten etwa unbedingt folgende Argumente verschwiegen werden:

  • Atomkraft: Anders als Solar- und Windkraftwerke sind Atomkraftwerke grundlastfähig. Das heißt, sie können zuverlässig Energie liefern und sichern so die Netzstabilität. Atomstrom ist dabei sauberer (in Hinblick auf den CO2-Ausstoß) als jener aus anderen grundlastfähigen Kraftwerken (Kohle und Gas). Internationale Organisationen, wie das IPCC und die Wirtschaftskommission UNO, sind sich auch einig, dass wir die Klimaziele ohne einen Ausbau von Atomkraft gar nicht erreichen können. Deswegen hat die EU Atomkraft in ihrer Taxonomie auch – vorübergehend! – als grün eingestuft.
    Die Krone schreibt auch immer wieder, dass sich AKWs wirtschaftlich nicht rechnen. Das stimmt nur bedingt: Die Stromerzeugungskosten sind bei neu errichteten Meilern zwar um 20% höher als bei Windenergie und Photovoltaik, bei einer Laufzeitverlängerung bestehender AKWs allerdings um 50% geringer.
  • Gentechnik: Dass der Einsatz von Gentechnik im Lebensmittelbereich gesundheitliche Risiken birgt, konnte bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Die Genschere Crispr/Cas, deren Einsatz die EU vereinfachen will, könnte Gentechnik sogar noch sicherer machen. Gene können damit nämlich gezielter manipuliert werden. Nota Bene: In den USA sind gentechnisch manipulierte Lebensmittel seit 1996 zugelassen. Bisher gab es keine Anzeichen, dass es deswegen dort zu einer Häufung von Krankheiten oder gar einem Massensterben gekommen ist.
    Auch aus ökologischer Sicht ist der Einsatz von Crispr sinnvoll, weil durch die Züchtung schädlingsresistenter Pflanzen auf Insektizide verzichtet werden kann. Die Krone heftet sich gerne Umweltschutz auf die Fahne, schreibt aber gegen Crispr an.
  • Klima-Aktivismus: Moderate Klima-Proteste konnten die Regierung bisher nicht dazu bewegen, ausreichende Klimaschutz-Maßnahmen zu beschließen. Österreich wird das Zwei-Grad-Ziel nach derzeitigem Stand meilenweit verfehlen. Die Besetzung der Hainburger Au hat gezeigt, dass radikale Proteste etwas bewegen können. Ziemlich ironisch: Die Krone stellte sich damals auf die Seite der Besetzer. 

Alle diese Argumente mag man gut oder schlecht finden – es wäre aber jedenfalls die Aufgabe von Journalismus, die Leserschaft darüber zu informieren.

Um den Anschein eines journalistischen Texts zu wahren, dürfen die Argumente der Gegner in der Krone nur in homöopathischen Dosen natürlich vorkommen. So lange der Frame stimmt („ausufernde Proteste“, „perfide Gen-Manipulation“, „Frankenstein-Technologie“, etc.), werden die Leser ohnehin wissen, was sie davon halten sollen.

Schritt 5: Bring’ die Schweigespirale in Schwung!
Die Theorie der Schweigespirale besagt, dass Menschen sich nicht trauen, ihre Meinung öffentlich zu äußern, wenn sie denken, dass diese Meinung nicht von der Mehrheit geteilt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die in den Medien veröffentlichten Standpunkte der eigenen Meinung widersprechen. Demokratiepolitisch ist die Schweigespirale natürlich problematisch. Für Kampagnen sind sie allerdings ein hervorragendes Instrument, um das Meinungsklima zu manipulieren.

 

Die Krone macht vor, wie’s geht: Muss eine Meinung bekämpft werden, schickt sie einfach ihre Leser an die Front. Auf ganzen Doppelseiten finden sich dann im Format “Das freie Wort” nur noch Kommentare, die ganz auf Blattlinie sind. Die Leser wettern darin wahlweise gegen die “gehirnbefreiten” und “dummen Aktionen” der “Terroristen”, (gemeint ist die “Letzte Generation”), gegen die Atomlobby und die Zulassung der Gentechnik: “Ein Acker einmal verseucht, ist immer verseucht!”. Wie Leserbriefe manipulativ im Bundespräsidentenwahlkampf verwendet wurden, haben wir übrigens hier dokumentiert.

Natürlich darf auch ab und zu ein Feigenblatt erscheinen, in dem gegenteilige Meinungen vertreten werden. So wie dieser Kommentar von Conny Bischofberger zu den Klimaprotesten. Wichtig ist dabei aber: Solche abwägenden Artikel müssen bei der Flut an emotionalisierender Berichterstattung ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.

Schritt 6: Hinterfrage dich niemals selbst!
Gut möglich, dass beim Lesen dieser Anleitung Zweifel bei dir aufgekommen sind. Ist eine Krone-Kampagne überhaupt so eine gute Idee? Immerhin ist es nicht die Aufgabe von Journalisten, Meinungen vorzukauen. Vielleicht denkst du auch, dass Medien eigentlich unterschiedliche Standpunkte wiedergeben sollten und guter Journalismus sich gerade dadurch auszeichnet, dass er auch Mehrheitsmeinungen kritisch hinterfragt. Eventuell bist du auch der Meinung, dass „Haltung“ keine Ausrede dafür sein darf, sich nicht kritisch mit einem Thema auseinanderzusetzen.

Vielleicht findest du es auch schizophren, dass sich die Krone Umweltschutz auf die Fahne heftet, aber gegen eine Technologie anschreibt, die im Kampf gegen den Klimawandel hilfreich sein könnte. Oder, dass sich die Zeitung auf die Seite der (aus damaliger Sicht) radikalen Hainburg-Besetzer stellte, aber sobald Autofahrer betroffen sind, gegen Klima-Aktivitsten hetzt. Vielleicht findest du es in diesem Kontext etwas lächerlich, dass die Krone nur bei den Themen „klare Haltung“ zeigt, bei denen sich die Blattlinie mit der Mehrheitsmeinung deckt. Vielleicht denkst du auch, dass Selbstlob stinkt.

Solltest du diese Zweifel haben, beachte Schritt 6: Hinterfrage dich niemals selbst! Würdest du das tun, müsstest du nämlich deinen Job als Journalist kündigen und in Politik, PR oder zu Exxpress wechseln. Mit Journalismus haben solche Kampagnen nämlich nichts mehr zu tun.

 

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Quellen:

(1) Perry & Matzl: EU weist Paks-Klage ab und hilft so Atom-Piraten. Kronen-Zeitung vom 01.12.2022, S. 4.
(2) Perry: Wachsende Gefahren durch neue Gentechnik und Pflanzen-Patente. Kronen-Zeitung vom 14.12.2022, S. 12.
(3) Matzl: Atomlobby will AKW-Renaissance über die Hintertür hochfahren. Kronen-Zeitung vom 28.07.2022, S. 12.
(4) o.A.: Erbgut der Pflanzen wird komplett verändert. Kronen-Zeitung vom 04.03.2022, S. 20.
(5) o.A.: Damals wie heute sagen wir Nein zur Atomkraft. Krone Steiermark vom 02.10.2022, S. 48.
(6) Perry: Krisengipfel gegen „Klima-Chaoten“. Kronen-Zeitung vom 05.03.2023, S. 15.

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.

Kobuk.at hat drei Monate lang alle Meinungselemente der Tageszeitungen „Die Presse“, „Der Standard“, „Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“ analysiert. 68 Prozent aller Kommentare, Glossen und Kolumnen wurden dabei von Männern geschrieben; sieht man sich nur die Leitartikel an, ist das Missverhältnis noch deutlicher: Frauen haben weniger als ein Fünftel dieser Texte verfasst. 


Kritische Kommentare, satirische Glossen, humorvolle Rezensionen: Persönliche Meinung kommt in österreichischen Tageszeitungen nicht zu kurz. Meinungsartikel beeinflussen, worüber eine Gesellschaft spricht, was überhaupt als Nachricht wahrgenommen wird oder welche Themen auf Twitter besonders polarisieren  – und ziemlich oft stammen sie in Österreich von Männern.

Kobuk.at hat zwischen 1. Oktober und 31. Dezember 2022 alle Print-Ausgaben von „Die Presse“, „Der Standard“, „Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“ auf diverse Meinungsartikel hin untersucht. Insgesamt wurden in allen vier Tageszeitungen  2.741 Leitartikel, Kommentare, Glossen oder Kolumnen abgedruckt. 1.869 davon waren von Männern – also etwa 2 von 3 Texten, gerade einmal 872 von Frauen. Männer waren damit Verfasser von 68 Prozent aller Meinungselemente.

Einen starken Männer-Überhang gab es dabei nicht nur in den Boulevard- und Mid-Market-Blättern („Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“), sondern auch in den Qualitätsmedien „Die Presse“ und „Der Standard“.

So bat die bürgerlich-konservative Tageszeitung „Die Presse“ im dreimonatigen Beobachtungszeitraum Männer 494 Mal (72 Prozent der Meinungsartikel) um ihre Meinung zu aktuellen Themen, Frauen hingegen nur 190 Mal (28 Prozent). „Der Standard“ verfügt zwar seit über 20 Jahren über ein eigenes Ressort für Frauenpolitik mit eigener Website (dieStandard.at), aber auch dort waren 63 Prozent der Meinungsartikeln von Männern – 37 Prozent von Frauen. Das ist zwar besser als in der „Kronen Zeitung“, aber nicht viel besser – hier waren 72 Prozent der Texte von Männer, 28 Prozent von Frauen.

Wo sind die Frauen?

Bemerkenswert ist aber nicht nur, wie selten Frauen Meinungsartikel schreiben, sondern auch worüber. So zeigt die Kobuk-Analyse, dass Frauen überwiegend über sogenannte klassische Frauenthemen schreiben: Familie, Gesundheit, Liebe oder Kunst und Kultur. Insbesondere am Wochenende – und vorwiegend in den Sonntagsausgaben in Form von Glossen, Kolumnen oder Rezensionen.

Selbst wenn Frauen politische Kommentare schreiben, dann waren es häufig Frauenthemen: Proteste im Iran, Gewalt gegen Frauen, oder Gleichberechtigung der Geschlechter, Kinderbetreuung, Gesundheitspolitik oder Equal Pay Day. Die große Mehrheit der Hard-News-Themen wie politische und wirtschaftliche Kommentare war klar männerdominiert, siehe Grafik. Überspitzt gesagt: An vielen Tagen kommentieren in österreichischen Zeitungen Männer auf den vorderen Seiten über die Regierung, Steuerreform und Korruption, und auf den hinteren Seiten Frauen über Beziehungen und wie schwierig es ist einen Kindergarten-Platz zu bekommen.

Leitartikel, das wohl wichtigste Aushängeschild eines Printmediums (gibt es bei den ausgewählten Medien nur in „Die Presse“ und „Kleine Zeitung“, Anm.), wurden Frauen nur in 33 Fällen überlassen. Männer durften sich für den prominenten ‚Platz gegenseitig 137 Mal das Wort reichen (80 Prozent).

Stichwort traditionell männlich/weiblich konnotierte Themen: In den Sportressorts, wo Frauen nach wie vor eine Branchenminderheit darstellen, war das Ungleichgewicht erwartungsgemäß besonders stark ausgeprägt: Weibliche Stimmen zu Sportereignissen gab es in allen Medien nur 15 Mal. Zum Vergleich: Männer schrieben 97 Mal über Wettbewerb, Sport und Spiel.

Woher kommt die Diskrepanz?

In Österreichs Redaktionen arbeiten laut dem Österreichischen Journalismusreport heute etwa gleich viele Frauen wie Männer. In den Führungsetagen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert: In allen vier Medien sitzen Männer in den Sesseln der Chefredakteure – und Kommentare werden nun mal häufiger von leitenden Redakteur:innen verfasst.

Aber nicht nur. Neben den Meinungsartikeln der Journalist:innen, gibt es in allen vier Zeitungen auch Kolumnen und Kommentare von Gastautor:innen. Wenn eine Zeitung also wirklich möchte, könnte sie das redaktionsinterne Geschlechterungleichgewicht damit aufheben und auf 50 Prozent Frauenquote kommen. Doch auch hier zeigt die Analyse klar: Weitaus mehr hausfremde Experten als Expertinnen bekommen eine mediale Plattform.

Kommentar der anderen (Männer)

In der „Kronen Zeitung“ etwa wurden externe Autoren 91 Mal (63 Prozent) abgedruckt, externe Autorinnen nur zu 54 Anlässen (37 Prozent). In dieser Kategorie ist der linksliberale Standard sogar deutlich schlechter als die Krone: 137 Gastkommentatoren (81 Prozent) standen dort 33 Gastkommentatorinnen (19 Prozent) gegenüber. Wenn also im Standard auf der Meinungsseite „Kommentar der anderen“ Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen über aktuelle Geschehnisse schreiben, waren das somit in aller Regel Männer.

Tage zu finden, in denen Frauen öfter zu Wort kamen als Männer, wurde zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen. In drei Monaten kam das nur in 50 der insgesamt 346 Ausgaben vor. Demgegenüber gab es 38 Ausgaben aller vier Medien, in denen kein einziger Kommentar von einer Frau abgedruckt. Allein 25 Tage davon sind der „Kronen Zeitung“ zuzurechnen, einmal gleich an drei aufeinanderfolgenden Tagen, an denen jeder einzelne Meinungsartikel von Männern verfasst wurde.

Ein verfrühtes Geschenkt bereitete die „Kleine Zeitung“ in der letzten Adventwoche: Zum ersten (und letzten Mal) in drei Monaten kam am 21. Dezember vor, dass in einer Ausgabe kein einziges Mal ein Meinungsartikel von einem Mann veröffentlicht wurde. Alle Kommentare, Glossen und Kolumnen haben Frauen verfasst, auch den Leitartikel (über den Equal Pay Day). Ein Weihnachtswunder – jedenfalls in Österreich.

 

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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.

Leserbriefe haben einen unschlagbaren Vorteil: Man kann sie als Meinungselemente der eigenen Leserschaft verkaufen – und gleichzeitig bieten sie die Möglichkeit, subtil Stimmung zu machen, indem man nur die “richtigen” Meinungen abgedruckt.

Die Kronen Zeitung ist für ihre Kampagnen berüchtigt. Als am 11. August ihr langjähriger Kolumnist Tassilo Wallentin angekündigt, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren, ist die Zeitung offenbar in einem Dilemma: Eine offene Kampagne in der regulären Berichterstattung war wohl keine Option, weil zu offensichtlich. Einzelne Versuche dazu sind relativ schnell entlarvt worden.

Also musste ein anderes Instrument her: Leserbriefe.

Wir haben alle Leserbriefe in der Krone seit dem 11. August analysiert. 62 solcher Briefe im Format „Das Freie Wort“ wurden seither zur Bundespräsidentenwahl gedruckt. Tassilo Wallentin wird dabei in 27 Fällen (43,55%) positiv erwähnt. Ganz schön beeindruckend für einen Kandidaten, der in keinen Umfragen 10 Prozent der Bevölkerung überzeugen kann. Kritische Leserbriefe gab es gerade einmal drei.

Die Leser:innen hielten sich dabei mit Lobeshymnen nicht zurück. Die Krone schenkte Wallentin gleich zum Wahlkampfauftakt einen Korb voller Leser-Liebesbriefe: “Bravo, Dr. Wallentin” schreibt da ein Leser, “Der beste Mann” ein anderer. “Bravo!” ist ein Dritter erleichtert: “Jetzt habe ich einen Kandidaten, den ich wähle!!!” An diesem Tag schafft es nur ein einziges Feigenblatt einziger Brief ins Blatt, in dem sich jemand kritisch über Wallentin geäußert.  

Die Krone schafft es im “Freien Wort” auch, den Wahlkampf geschickt mit Angriffen auf einen Lieblingsfeind zu kombinieren: den ORF. Der ORF sei parteiisch, rechte Kandidaten würden unfair kritisiert, während linke eine Sonderbehandlung bekommen. Man kennt das ja. 

Logisch, dass sich das Boulevardblatt am 21. September nicht die Chance entgehen ließ, Armin Wolf eins auszuwischen. Der ORF-Moderator hatte Wallentin zwei Tage zuvor in der ZIB2 interviewt und nachgewiesen, dass Wallentin in seinen Büchern Falschinformationen verbreitet. Daraufhin gab es reichlich medialen Gegenwind für Wallentin. Die Krone rückte zur Rettung aus – und schickte Leser:innen zur Verteidigung des Ex-Kollegen vor. 

Bei Durchsicht aller Leserbriefe seit August entsteht der falsche Eindruck, die Wahl wäre ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Wallentin und Van der Bellen. Von den 62 Leserbriefen behandeln neben den insgesamt 20 Wallentin-Briefen ebenfalls 20 den amtierenden Bundespräsidenten. Dieser dürfte – jedenfalls laut den Umfragen – eine absolute Mehrheit der Stimmen bekommen. In der Krone merkt man davon aber nichts. 

 

Beinahe alle Leserstimmen über Van der Bellen sind kritisch. Ein Würstelstand-Besuch des Präsidenten regt auf: “Das ist reiner Wahlkampf, um sich volksnah zu zeigen.” Aber nicht nur das. Der Präsident wird “arrogant”, “überheblich” und “amtsmüde” genannt, weil er nicht an den TV-Diskussionen teilgenommen hat. Zuspruch erhält Van der Bellen lediglich vier Mal.

An dieser Stelle vielleicht noch einmal zum auf der Zunge zergehen lassen: Die Zeitung mit der größten Leserschaft Österreichs (immerhin 1,7 Mio. Leser:innen täglich) tut so, als wäre ein 10%-Kandidat bei eben dieser Leserschaft super beliebt, und der 50+%-Kandidat super unbeliebt. Und die anderen 5 Kandidaten kommen fast gar nicht vor.

Nun mag Wallentin unter den Krone-Leser:innen tatsächlich überdurchschnittlich beliebt sein, aber wer ernsthaft glaubt, dass dieses Verhältnis die Realität abbildet, muss schon sehr naiv sein.

Übrigens: “Das Freie Wort” als Instrument, um die Blattlinie zu pushen hat beim Boulevard-Blatt auch Tradition. Dessen verstorbener Herausgeber Hans Dichand bezeichnete das Format einst als “Zeitung in der Zeitung”. Dichand soll auch höchstpersönlich für die Auswahl der Einsendungen zuständig gewesen sein.

 

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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.

Wenige Tage vor der wichtigsten Wahl des Jahres, der Wiener Landtagswahl, bringt die Kronen Zeitung eine Coverstory, der es an jeglicher Substanz fehlt und die auf faktisch falschen und irreführenden Zahlen basiert.

Zur Beurteilung der Corona-Lage kann man eine ganze Reihe an Daten heranziehen. Die Zahl der Tests insgesamt, den Anteil der positiven Tests, die Zahl der positiven Fälle, auf welche Altersgruppen sich die Fälle verteilen, wie viel Zeit vom Erstverdacht bis zum Testergebnis vergeht, wie gut die Infektionsketten nachverfolgt werden können, wie viele Menschen in Krankenhäusern behandelt werden und wie sich die Lage dort entwickelt. Und und und.

Wer ein so vernichtendes und pauschales Urteil am Cover der auflagenstarken Wien- und Burgenlandausgabe fällt, der hat sich sicherlich mit mehreren dieser Zahlen befasst, richtig? Na gut, sagen wir zumindest mit einigen – oder jedenfalls mit mehr als nur einer einzigen, richtig?

Weil was wäre das sonst für ein Journalismus?

Machen wir es kurz: Die Krone begründet ihr Urteil im Blattinneren tatsächlich mit nur einer einzigen Zahl. „Lediglich erschreckende 17,2 Prozent“ der aktuellen Fälle seien in Wien Clustern zuzuordnen, schreibt das Boulevardblatt. Sprich: Bei mehr als 4 von 5 Infektionen würden die Behörden nicht wissen, wie sich das Virus verbreitet hat. Das wäre tatsächlich beunruhigend. Allein: Diese Zahl stimmt nicht.

Die Krone gibt als Quelle ihrer Zahl die Ages an – jene Behörde, die in Österreich Cluster auswertet und daher den besten Einblick hat. Auch die Ampel-Kommission des Bundes greift auf die Daten der Ages zurück. Am gleichen Tag, an dem die Krone dieses Cover druckte, veröffentlichte die Ampel-Kommission ihre aktuellen „Indikatoren zur Risikoeinstufung“ (Excel file). Und siehe da – es zeigt sich ein ganz anderes Bild:

Quelle: Ampel-Kommission, Indikatoren zur Risikoeinstufung (Stand Dienstag 6.10.2020, 24 Uhr für Empfehlung 8.10.2020). eigene Darstellung

Wien gelingt es demnach nicht bei 17,2 Prozent der Infektionen die Quelle zu finden, sondern aktuell bei 61 Prozent. Damit ist die Bundeshauptstadt zwar Schlusslicht aller Bundesländer, der Abstand zur Steiermark, Salzburg, Niederösterreich und Oberösterreich ist aber überschaubar. Wenn diese eine Zahl also entscheiden soll, ob die Kontrolle über Corona verloren wurde (was lächerlich ist – eine einzige Zahl wird diese Frage nie beantworten können), dann müssten auf dem Cover noch ein paar Bundesländer mehr stehen.

Davon abgesehen, ist die Aufklärungsquote in Wien im Vergleich zur Woche davor von 51 Prozent auf 61 Prozent gestiegen. Wien hat die Kontrolle also nicht verloren, sondern (in diesem Punkt) zuletzt wieder Boden gut gemacht.

Wie kommt es nun zu so einem Cover? Ironischerweise gibt die Online-Ausgabe des Artikels zwischen den Zeilen ein paar Hinweise darauf. Dort kann man nämlich herauslesen, dass die Zahlen aus dem ÖVP-geführten Innenministerium stammen. Wie Kobuk in Erfahrung bringen konnte, dürfte es sich bei den 17,2 Prozent um einen Tageswert handeln, der dem Krisenstab von der Ages übermittelt wurde. Die Ages selbst weist darauf hin, dass Tageswerte beispielsweise wegen der Datenübermittlung stark schwanken und die Kommunikation solcher Daten daher sinnlos und „nicht zielführend“ ist – nur kommt es eben darauf an, welches Ziel man verfolgt.

Was hier also geschehen ist, ist dass aus ÖVP-Kreisen ein nichtssagender Wert an die Krone gespielt wurde, um gegen die Wiener-SPÖ wenige Tage vor dem Wahlsonntag Stimmung zu machen. Die Krone macht sich hier somit mindestens zum Erfüllungsgehilfen, wenn nicht gar zum Mittäter im Wahlkampf-Hick-Hack.

Der Boulevard-Journalist Richard Schmitt hat eine Klage wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung gegen mich angestrengt und rechtskräftig verloren. Konkret ging es um einen Tweet, in dem ich auf einen Kobuk-Artikel über eine Arbeit Schmitts verlinkte – und dazu schrieb:

Wenn Richard Schmitt was schreibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht stimmt, recht hoch. Wenn’s um Verkehr geht, steigt sie gegen 100%.

FALTER 50/19: About Schmitt

FALTER 50/19: About Schmitt

Das klagte Schmitt. Und zwang meine Anwältin Maria Windhager und mich somit, vor Gericht den Beweis anzutreten, dass diese Aussage im Kern wahr ist. Was folgte, war ein langes Verfahren vor dem Handelsgericht Wien, mit über vier Stunden Verhandlung sowie über 70 Seiten schriftlicher Auseinandersetzung. (Alle Details zum Urteil am Ende des Artikels.)

Das Spannende daran: Es entstand eine umfangreiche Sammlung der journalistischen Höchstleistungen des Richard Schmitt, quasi ein Best Of. Und da das nicht in Gerichtsdokumenten verschwinden soll, folgt hier die Zusammenfassung.

Exkurs: Wer ist Richard Schmitt?

Schmitt ist der ehemalige Chefredakteur von Krone.at und aktuelle Chefredakteur von Oe24.at. Kaum jemand beschäftigt mit seinen Produkten den Presserat mehr als er. Mit HC Strache wollte er ein neues Medium gründen.

Im Zuge eines Versuchs, einen Vergleich zu schließen – siehe Berichterstattung, einigten wir uns auf folgende Formulierung eines Tweets, den ich absetzen hätte sollen:

Ich habe den Tweet gelöscht, er war zu hart formuliert. Mir war in dem Tweet wichtig aufzuzeigen, dass Richard Schmitt zu tendenziöser Berichterstattung neigt, besonders b. Thema Verkehr, sowie Fakten manipulativ einsetzt.

Die Formulierung „..Fakten manipulativ einsetzt“ war der Vorschlag der Gegenseite (!), wir hatten „..pflegt einen schlampigen Umgang mit Fakten“ vorgeschlagen.

So viel zu Richard Schmitts Selbstverständnis als Journalist.

Best of Richard Schmitt – 18 Fälle

Dies sind die wichtigsten Fälle, die wir dem Gericht zur Untermauerung der im Tweet getätigten Aussage vorgelegt haben, chronologisch sortiert. Es ist ein bisschen eine willkürliche Auswahl – es hätte noch einige Beispiele dieser Art mehr gegeben – aber sie geben einen guten Einblick in die Denk- und Arbeitswelt des Richard Schmitt. Und: Sorry, das wird lang.

1. „Degradierung“ von Natascha Kampusch zum Objekt, 2007

In seiner Zeit als Chefredakteur der Zeitung „Heute“ wurde diese verurteilt, weil in drei Artikeln der höchstpersönliche Lebensbereich des Entführungsopfers Natascha Kampusch verletzt wurde.

Der OGH spricht in seiner Urteilsbegründung von einer „realitätsverzerrend zum Objekt einer klischeehaften Spekulation über ihre ‚erste Liebe‘ degradierenden medialen Darstellung“. Gegenüber dem „Standard“ rechtfertigte sich Richard Schmitt damals damit, dass die Story „dezent“ gewesen sei. „Noch dazu bei so einer netten Geschichte.“

Nach dem Urteil des OGH wurde die Kampagne gegen Natascha Kampusch aber noch intensiviert, indem aus den vertraulichen Akten zitiert wurde, in denen Inhalte aufgezeichnet waren, die Natascha Kampusch nach ihrer Befreiung einem Arzt und einer Polizistin anvertraut hatte. Ein Staatsanwalt sprach damals von „einer Schweinerei der Sonderklasse“. Frau Kampusch selbst sprach entsetzt über dieses Vorgehen von einem „Tiefpunkt des Journalismus“. (Siehe „Falter“ Nr. 17 / 2008)

2. Negativpreis Rosa Koffer, 2012

Das Frauennetzwerk Medien verlieh Richard Schmitt 2012 den Negativpreis „Rosa Koffer“ – ein Upgrade vom „Rosa Handtaschl“ extra für ihn – wegen einer beispiellos frauenfeindliche Kampagne: Richard Schmitt habe es sich als Redakteur der „Kronen Zeitung“ anscheinend zur persönlichen Aufgabe gemacht hat, die Wiener Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner „abzuschießen“.

3. Die vermeintlich versickerte Milliarde, 2012

2012 veröffentlichte Richard Schmitt in der „Krone“ einen Artikel mit dem Titel „Eine Milliarde ist versickert“ samt einer Tabelle „Das ABC der teuersten Skandale in Wien“. Doch war diese vermeintliche Milliarde an in der Stadt Wien versickerten Geldern lediglich eine Behauptung der ÖVP Wien, die Schmitt offenbar ungeprüft übernahm. Viele der Zahlen halten einer genauen Betrachtungen nicht stand.

Richard Schmitt rechtfertigt im Zuge des Verfahrens so:

Es wird ausgeführt, dass der Kläger lediglich eine von der ÖVP erstellte Auflistung zitiert hat. Es wird in diesem Artikel unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es sich um eine Auflistung der ÖVP handle, sodass schon aufgrund dieses Hinweises keine Täuschung der Leser und somit eine unwahre Berichterstattung vorliegen kann.

Wir haben den Fall damals im Artikel Wiener Skandale – Krone druckt falsche Parteipropaganda einer Überprüfung unterzogen.

4. Das Märchen mit der gekündigten Kindergartenpädagogin, 2015

In einem Artikel vom 22. August 2015 mit dem Titel „Im Kindergarten. Pädagogin erklärt Kindern Weihnachten – gekündigt“ behauptet Schmitt, dass die Angestellte eines Kindergartens der Stadt Wien gekündigt worden wäre, weil sie „über Christus geredet“ oder das „Weihnachtsfest erklärt“ habe. Der Artikel stellt in einer Zwischenüberschrift die Suggestivfrage: „Verbot in Kindergärten, über Christus zu reden?“

Als dieser Vorwurf damals auch von HC Strache im Rahmen der  TV-Elefantenrunde zur Wien Wahl 2015 wiederholt wurde, besorgte ich mir die vierseitige Niederschrift der zuständigen Magistratsabteilung und veröffentlichte sie hier auf Kobuk: Das Krone-Weihnachtsmärchen mit der gekündigten Pädagogin.

Das Protokoll zeichnet das Bild einer Kindergartenpädagogin, die Kolleginnen und Kollegen zu religiösen und politischen Themen mit Broschüren der „Kaiser Karl Gebetsliga“ zu missionieren versuchte, das praktizierte Konzept gendersensibler Pädagogik oder auch Aktivitäten wie das „Gespensterfest“ nicht mit ihrer Rolle als Christin vereinbaren konnte und sich allgemein unkooperativ verhielt. Dem Protokoll ist allerdings nicht zu entnehmen, dass die Pädagogin gekündigt worden wäre.

Richard Schmitts Rechtfertigung vor Gericht:

Es wird darauf verwiesen, dass dieser Artikel richtig recherchiert wurde. Dem Kläger wurde der Sachverhalt genau so von der betroffenen gekündigten Lehrerin erzählt.

Dass hier die Unwahrheit verbreitet wird, wurde selbst von der Zeit im Bild 2 festgestellt, die aufgrund der Wiederholung dieser Behauptung durch Heinz-Christian Strache, die Aussage einem Faktencheck unterzog. Unter Berufung auf die von Kobuk.at veröffentlichte Niederschrift und weitere Recherchen kamen auch die Redakteurinnen und Redakteure der Zib2 zum Schluss, dass die Behauptung „nicht richtig“ ist.

5. Schmitts Fahrradpropaganda, 2015

Ein schönes Beispiel für Richard Schmitts „manipulativen Umgang mit Fakten“ (Eigenzuschreibung) lieferte er in seiner Krone-Kolumne „Wiener Melange“ am 30. August 2015. Hier behauptete er, der Radanteil in Wien sei „um bloß 2 % auf 7 % gestiegen, die Zahl der Radunfälle nahm aber im gleichen Zeitraum deutlich zu.“

Lesenswert dazu die Urteilsbegründung des Richters:

„Durch die Beifügung des Wortes ‚bloß‘ zu den nominell kleinen Zahlen von fünf und sieben wird dem durchschnittlichen Leser des Boulevardmediums Kronen Zeitung die tatsächliche Relation verschleiert. Eine Steigerung von 5 auf 7 Prozentpunkte beträgt 40 %, was beim Thema wie der Verkehrsmittelwahl, die sich in der Vergangenheit nicht sprunghaft veränderte, in einem Zeitraum von vier Jahren einen erheblichen Zuwachs bedeutet. Zum Vergleich: Eine 40 %ige Zunahme des Autoverkehrsanteils binnen vier Jahren wäre wohl eine Veränderung, die für Wien kaum verkraftbar wäre.

Die Zahl der Radunfälle ist in den letzten drei Jahren vor Erscheinen des Artikels vergleichsweise konstant geblieben. Trotz eines zwischenzeitigen Anstieges von 2013 auf 2014 lagen beide Werte unter jenem für 2012.

Der vom Kläger erweckte Eindruck ist daher falsch; der Fahrradverkehr ist in den Jahren vor dem Erscheinen des Artikels nicht gefährlicher, sondern im Gegenteil sicherer geworden.“

6. Das falsche Kindergartenfoto, 2015

Am 15. Oktober 2015 veröffentlichte Schmitt in seiner Kolumne „Wiener Melange“ ein Foto einer „Krone“-Leserin. Das Foto zeigt eine vollverschleierte Frau neben einer Kindergruppe auf dem Wiener Naschmarkt.

Er schreibt dazu, dass es sich bei der vollverschleierten Frau um eine Kindergartenpädagogin aus einem Kindergarten in der Arnethgasse in Wien Ottakring handle, die sich mit einer Gruppe an Kindern aus diesem Kindergarten auf einem Ausflug am Wiener Naschmarkt befinde.

Die Behauptung, die Frau wäre Pädagogin in besagtem Kindergarten, wiederholt er fünf Tage später im Artikel „Islamischer Kindergarten vor Sperre“. Wie jedoch ein Artikel aus der Wochenzeitung „Falter“ vom 21. Oktober  zeigt, war die Behauptung falsch:

Es offenbart sich ein (von dem Redakteur mittlerweile eingestandener) Recherchefehler […] Sowohl die MA 11 als auch der Kindergarten widerlegen, dass die Verschleierte in dem von der Krone genannten Kindergarten arbeitet.

Der „Falter“ schildert, dass ein Lokalaugenschein genügt hätte, um auszuschließen, dass es sich bei der abgebildeten Frau um eine Kindergartenpädagogin aus diesem Kindergarten handelt.

7. Die Recherche-Meisterleistung mit der roten Welle, 2016

In einer Kolumne vom 13. Oktober 2016 behauptet Schmitt, die Stadt Wien würde Autofahrer mit bewussten roten Wellen “sekkieren”. Als Beleg führt er einen Leserbrief sowie einen eigenen Test (!) an. Experten kommen nicht zu Wort. Auch eine Stellungnahme der Stadt wurde nicht eingeholt.

8. Die vermeintlichen Blitz-Kurse für Zuwanderer, 2016

Ein weiteres Beispiel für die verzerrte Darstellung von Migrationsthemen liefert Schmitt in seiner Kolumne vom 27. Oktober 2016. Er behauptet, dass „zugewanderte Afghanen, Iraker, Nigerianer etc. (noch dazu ohne Deutschkenntnisse)“ einen „Blitz- Kurs“ besuchen könnten, welcher nur 200 Tage dauere und dieser mit acht Jahren Schulausbildung gleichzusetzen ist.

Dazu schreibt der Richter in der Urteilsbegründung:

„Dem durchschnittlich verständigen Leser der Kronen Zeitung wird durch den oben zitierten Text der Eindruck vermittelt, es gäbe Sonderregelungen, die Migranten einen im Vergleich zu Österreichern erheblich vereinfachten Zugang zum Pflichtschulabschluss ermöglichten, insbesondere, dass ihre Ausbildung 200 Tage statt acht Jahren dauern würde und keine Prüfung erforderlich wäre. (..)  Die vom Kläger suggerierte Bevorzugung von Migranten hält einer Überprüfung anhand der gesetzlichen Bestimmungen nicht stand.“

9. Die „wahren“ Kosten der Asylkrise, 2016

Am 28. August 2016 veröffentlichte Schmitt einen doppelseitigen „Im Brennpunkt“- Artikel mit dem Titel „Die wahren Kosten der Asylkrise“ und dem Aufmacher: „So viel kostet die Asylkrise wirklich“.

Zunächst schreibt er, dass aktuell 35.000 Menschen, aufgrund positiver Asylbescheide die bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen würden. Jeder dieser 35.000 Personen würde so sie Mindestsicherung beziehen, also € 837,76 pro Monat erhalten.  „Jeder der 35.000 Migranten, die bereits im Mindestsicherungssystem sind, erhält 837,76 € pro Monat.“

Der Richter dazu in seiner Urteilsbegründung:

„Der im Artikel genannte Betrag ist ein Höchstbetrag, der bei weitem nicht für alle Beziehern zur Anwendung kommt und auf den das jeweilige Eigeneinkommen anzurechnen ist. Auch bei Aufwendung minimaler journalistischer Sorgfalt wäre es dem Kläger daher möglich gewesen, zu erheben, dass die von ihm vorgenommene Multiplikation des Höchstbetrages mit der von ihm genannten Zahl der Migranten im Mindestsicherungssystem keine sinnvolle Berechnungsmethode zur Ermittlung der tatsächlichen Ausgaben darstellen kann.“

Schmitt rechtfertigt sich so:

Es wird vorgebracht, dass dem Kläger die Höhe der Mindestsicherung vom zuständigen Magistrat mitgeteilt wurde und er diese einfach nur weitergeleitet hat, sodass hier kein Recherchefehler vorliegt. Sollte dem Kläger von der Magistratsabteilung eine unrichtige Zahlung genannt worden sein, so ist ihm dies nicht vorwerfbar.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich die falschen Behauptungen unter dem Titel „Die wahren Kosten der Asylkrise“ finden.

10. Nur 100 studierende Asylwerber, 2016

In einem Artikel vom 31. März 2016 mit dem Titel „Von 111.026 Flüchtlingen studieren nur 100“ behauptet Schmitt, dass von 111.026 Personen, die seit Sommer 2015 als Asylwerberinnen und Asylwerber nach Österreich kamen, nunmehr lediglich 100 studieren würden.

  • Er bezieht sich dabei auf ein Schreiben der Universitätsverwaltung einer nicht näher benannten Wiener Universität. Für die Zahl an Asylwerbenden wird eine bundesweite Zahl herangezogen, für die Zahl der Studierenden lediglich Angaben einer Universität.
  • Weiters besteht die herangezogenen Personengruppe zu einem nicht unwesentlichen Teil aus minderjährigen Personen (37 % der Asylwerber von 2015 sind minderjährig), von welchen (noch) kein Studium an einer Universität erwartet werden kann.
  • Zu berücksichtigen wären auch jene Personen, die bereits ein Studium abgeschlossen haben oder andere Berufsausbildungen abgeschlossen haben.
  • Dazu nimmt eine Nostrifizierung von Zeugnissen etc. durchaus längere Zeit in Anspruch, bevor man zur Inskription berechtigt ist.

Die Replik Richard Schmitts fiel so aus:

Es wird ausgeführt, dass hier der Kläger die journalistische Sorgfalt jedenfalls befolgt hat und ihm nichts vorzuwerfen ist, zumal ihm diese Zahl von der Universität Wien genannt wurde. Der Kläger hat mit der Pressestelle der Universität Wien Kontakt aufgenommen und wurde ihm dabei mitgeteilt, dass nur 100 studieren würden.

Siehe auch den Kobuk-Artikel Zahlenspiel der Krone lässt Flüchtlinge dumm aussehen.

11. Gratisfrühstück für Drogensüchtige, 2016

Sie spritzen kein Opium? Nehmen kein LSD? Dann haben Sie, liebe Leser, leider keinen Anspruch auf ein vom Wiener Steuerzahler finanziertes Gratisfrühstück.

Das schrieb Schmitt in einem heftigen Kommentar über Betreuungsangebote von Wiener Drogenberatungs- und -behandlungseinrichtungen. Lesenswert dazu der Offene Brief von KlientInnen und MitarbeiterInnen dieser Einrichtungen:

Menschenverachtend. Letztklassig. Widerwärtig. Abstoßend. Richard Schmitt, Kronen Zeitung.

12. Maschinengewehre auf der Donauinsel, 2017

Im Juni 2017 war auf Krone.at, dessen Chefredakteur Richard Schmitt war, zu lesen, die Polizei hätte kurz vor dem Donauinselfest auf der Donauinsel zwei Maschinengewehre und eine Faustfeuerwaffe gefunden. Nichts davon stimmte, wie die Polizei mitteilte:

Schmitt rechtfertigte sich damit, dass er den Artikel nicht verfasst habe, wie er auch bei anderen Gelegenheiten die Annahme von sich wies, er trüge Verantwortung für Artikel, die in Medien erschienen waren, für die er verantwortlich zeichnete.

Der Richter dazu in der Urteilsbegründung:

Die Frage, wie weit die Verantwortung des Klägers für Artikel zu bemessen ist, die nicht von ihm verfasst wurden, jedoch unter seiner Leitung als Chefredakteur publiziert wurden, kann dahingestellt bleiben, weil bereits die von ihm geschriebenen Artikel die Äußerung des Beklagten rechtfertigen.

13. Wieder ein falsches Kindergartenfoto, 2017

Am 25. Juni 2017 veröffentlichte Schmitt unter dem Titel „Kopftuch: Bei Kindern Alltag“ eine weitere Islamkindergarten-Story, wieder mit falschen Fotos. Dies führt in der Folge zu einer Rüge durch den Presserat sowie einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Handelsgericht.

14. Die Stadt Wien verschweigt die Mohammeds, 2017

2017 veröffentlichte Schmitt sowohl in der Printausgabe der „Kronenzeitung“ als auch auf „Krone.at“ den Artikel „Mohammad bereits auf Platz fünf der Kindernamen!“, dies würde die Stadt Wien aber verschweigen.

Richter Exner dazu in seiner Urteilsbegründung:

„Der Artikel vermittelt dem durchschnittlich verständigen Leser der Kronen Zeitung den Eindruck, dass die Stadt Wien bewusst verschweigen würde, dass der Vorname Mohammad bereits der fünftbeliebteste für Neugeborene wäre.

(Ausführliche Begründung:)

Es ist jedoch gerichtsnotorisch, dass die Vornamenstatistik sowohl der Stadt Wien als auch der Statistik Austria seit Jahren sowohl mit exakter Schreibweise als auch phonetisiert (Wien) bzw. etymologisiert (Statistik Austria) veröffentlicht werden. Wenn also ein Vorname besonders viele Variationen aufweist, wie zB Mohammad (Muhammad, Muhammed, Mohamed, Mohammed, Mohamad, Muhamed, Muhammet, …), scheint er in der erstgenannten Statistik weiter hinten platziert, jedoch häufig auf, während er bei der zweitgenannten Statistik nur ein Mal, jedoch weiter vorne, enthalten ist.

Warum die Stadt Wien nur eine der beiden Statistiken an die Medien versendet, kann viele Gründe haben. Der Vorwurf der Verschleierungsabsicht erscheint jedoch angesichts der Untauglichkeit des Versuchs der Täuschung redlicher Journalisten unhaltbar, ist doch mit einem Blick auf die nicht zusammengefasste Statistik sofort erkennbar, dass unter den Bubennamen Mohammad in unterschiedlichen Schreibweisen mehrfach in den vorderen Rängen aufscheint. Zudem ist die vermisste Statistik seit Jahren im Internet abrufbar. Ein Verschweigen wäre selbst gegenüber einem Journalisten, der nicht recherchiert, sondern die übermittelte Statistik bloß oberflächlich betrachtet, unmöglich.

Die vom Kläger vermittelte Aufregung über einen aufgedeckten Missstand lässt bei genauerer Betrachtung jedes Substrat vermissen.“

15. „Radler verletzen 74 Fußgeher“, 2018

Der Stein des Anstoßes, der Kobuk-Artikel, der Richard Schmitt so in Rage brachte, dass er den Rechtsweg einschlug.

Die richterliche Beurteilung liest sich so:

„Der gesamte Artikel handelt von der Gefahr, die von Radfahrern ausgeht. Durch die übergangslose Aneinanderreihung der oben festgestellten Sätze gewinnt der durchschnittlich verständige Leser der Kronen Zeitung den Eindruck, die elf Verkehrstoten seien auf Unfälle von Fußgängern mit Fahrrädern zurückzuführen. Der Satz davor und der Satz danach handeln ausdrücklich von Radfahrern, nur der entscheidende Satz dazwischen nicht. Nur bei besonders sorgfältigem Lesen und Kenntnis der Verkehrstotenstatistik könnte auffallen, dass der mittlere Satz einen Themenbruch darstellt.

Eine derartige Aufmerksamkeit kann dem durchschnittlichen Konsumenten dieses Boulevardmediums nicht unterstellt werden, der von ihm wahrgenommene Inhalt ist falsch.“

16. Die vermeintliche Spur nach Wien, 2018

In einem Artikel vom 29. September 2018 unter dem Titel „Journalistenmord: Spur nach Wien“ wird in der „Kronen Zeitung“ über den Mord an dem slowakischen Journalisten Jan Kuciak berichtet.

Darin heißt es wörtlich: „Slowakische Auftragskiller erhielten spezielles Training mit halbautomatischen Waffen auf einem Schießplatz in Wien- Stammersdorf.“ Tatverdächte aus dem Mordfall Jan Kuciak sollen also in Wien ausgebildet worden sein.
Die „Kronen Zeitung“ selbst sah sich zwei Tage später, am 30.09.2018, gezwungen eine Richtigstellung vorzunehmen: In dem Artikel mit dem Titel „Wir trainieren keine Mörder!“ wird festgestellt, dass Tatverdächte in der Causa Jan Kuciak niemals in Wien an einem Waffentraining teilgenommen haben, sondern vielmehr in Polen. Das tags zuvor verleumdete österreichische Schulungsunternehmen bekam ausführlich Platz zur Selbstdarstellung.

Glaubwürdigen Quellen zufolge stammt die relevante Falschinformation von Richard Schmitt, er wurde intern entsprechend gerügt. Er selbst verantwortet sich so:

Es wird darauf verwiesen, dass der Kläger für diesen Artikel lediglich die Hintergrundinformation über die Ausbildungsstätte von einem Konkurrenzunternehmen in der Slowakei erhalten und diese weitergegeben hat. Verfasst wurde der genannte Artikel von Frau Martina Prewein und Herrn Christoph Budin.

 

17. Fälschung eines Demo-Fotos, 2018

Der Artikel Schmitts „Grünen-Politiker in Salzburger Gipfel-Randale“ vom 21. September 2018 veranlasste den Österreichischen Presserat zur Rüge aufgrund eines Verstoßes gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. Hintergrund war ein manipuliertes Lichtbild, das den damaligen MEP Michel Reimon so darstellt, als wäre Reimon Teil einer gewaltbereiten Demonstration.

Der 2. Senat des Presserats merkte dazu an:

Anscheinend wollten die Redakteure den Grünen- Politiker gezielt mit vermummten und gewaltbereiten Demonstranten in Verbindung bringen.

Schmitt selbst bezeichnete die Bildfälschung als „Collage“.

18. Stimmungsmache mit Messer-Migranten, 2018

Am 04.11.2018 behauptete Richard Schmitt im sowohl auf „Krone.at“ als auch im Print verbreiteten Artikel “GRENZSTURM DROHT – Experten zu ‚Krone‘: ‘Jetzt kommen ganz andere‘”, in Bosnien “hoffen mehr als 20.000 Migranten auf die Chance eines Durchbruchs nach Mitteleuropa. Sie sind bewaffnet, fast alle haben ein Messer“.

Trotz eines Faktenchecks der ARD beim UNHCR, wonach in Bosnien im Jahr 2018 insgesamt 20.000 Migranten registriert wurden, sich aber nie gleichzeitig dort aufhielten, ist der Artikel bis heute unverändert online.

Der Presserat sprach eine Rüge in mehreren Punkten aus.

Das Urteil

Das HG Wien als Erstinstanz hat die Klage Schmitts am 31. August 2020 zur Gänze abgewiesen, das Oberlandesgericht Wien hat dieses Urteil in zweiter Instanz nach einer Berufung Schmitts bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Richter der Erstinstanz, Rat Jürgen Exner, begründete sein Urteil im Wesentlichen damit, dass durchschnittliche Twitter-UserInnen meinen Tweet als Äußerung einer negativen Meinung über Schmitt verstehen.

Zwar sei der Tweet nach seinem Wortlaut grundsätzlich eine Tatsachenbehauptung, allerdings sei für durchschnittliche LeserInnen leicht erkennbar, dass es sich um eine stilistische Übertreibung zwecks persönlicher Kritik an den Publikationen von Richard Schmitt handle; niemand würde ernsthaft davon ausgehen, dass Schmitt zu 100% Falsches publiziere.

In meinem Tweet werde daher ein Werturteil geäußert, für das es eine ausreichende Tatsachengrundlage gebe:

Die festgestellten Unrichtigkeiten mögen nur einen Bruchteil des journalistischen Werkes des Klägers betreffen, reichen jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts aus, um im Zusammenhalt mit der zugestandenen tendenziösen Berichterstattung die vom Beklagten geäußerte Kritik zu rechtfertigen.

Auch für das OLG lag „weder ein Wertungsexzess vor, noch werden die Grenzen zulässiger Kritik überschritten“. Der Kritik liege „ein ausreichendes Tatsachensubstrat zugrunde“.

Die Spende

Als die Klage bekannt wurde und wir einen Rechtshilfetopf einrichteten, kam innerhalb kurzer Zeit die unglaubliche Summe von €13.195 an Spenden zusammen. Eine wunderbare Welle der Solidarität. Herzlichen Dank an alle!

Diese Summe habe ich (abzüglich Nebenkosten), am 2. Juni 2021 als Spende dem Verein Reporter ohne Grenzen Österreich überwiesen.

Helge Fahrnberger, Hans Kirchmeyr (Kobuk.at) und Rubina Möhring (Reporter ohne Grenzen) bei der Spendenübergabe

Ich bin sehr froh, dass ich nicht auf den – inhaltlich bereits ausverhandelten – Vergleich eingegangen bin, denn Schmitt wollte, dass ich die halben Gerichtskosten sowie die Kosten meiner Rechtsvertretung tragen solle. Das war für mich nicht akzeptabel, immerhin habe ich die Spenden nicht erhalten, um schnell den Schwanz einzuziehen, sondern um mich gegen diese Einschüchterungsklage wehren zu können.

Die Spendenempfängerin Reporter ohne Grenzen fand der Richter angesichts Richard Schmitts notorischem Faible für Migrationsthemen übrigens recht lustig.

Gefällt dir der Artikel? Wenn du möchtest, dass wir auch in Zukunft solche Recherchen veröffentlichen können, kannst du uns gerne unterstützen. Hier erfährst du alle Hintergründe.

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Anhang: Die Gerichtsdokumente

15. März 2019:
Klage Schmitt
19. Februar 2020:
Aufgetragene Replik Schmitt
31. August 2020: 🏁
Urteil des Handelsgerichts Wien
24. September 2020:
Berufung Schmitt
5. März 2021: 🏁
Urteil des Oberlandesgerichts Wien (rechtskräftig)

Ausländische Straftäter, vorzüglich aus dem osteuropäischen oder arabischen Raum, haben deutlich höhere Chancen in der Kronen Zeitung zu landen als Österreicher. Eine Spurensuche.

Laut Kriminalstatistik waren im Jahr 2017  fast zwei von drei (60,9%) aller angezeigten Personen Österreicher. Fast 40 Prozent waren Ausländer, wobei hier Touristen und alle anderen, die nur kurz im Land sind, mitgerechnet werden.

Wir wollten wissen, wie das Verhältnis zwischen inländischen und ausländischen Tatverdächtigen in den Berichten der Kronen Zeitung aussieht. Wie oft bringt die Krone bei unterschiedlichen Delikten Fälle, in denen die Täter Ausländer sind? Und wie groß ist dem gegenüber ihr Anteil in der offiziellen Statistik?

Wir haben 324 Berichte der Kronen Zeitung aus dem Jahr 2017 untersucht, in denen es um verschiedene Kriminalfälle ging. In 188 dieser Artikel waren die Tatverdächtigen ausländischer Herkunft, das entspricht fast 60 Prozent aller Berichte. Lediglich 76 Artikel drehten sich um österreichische Tatverdächtige, in den übrigen 60 wurde keine Herkunft explizit genannt.

Aber nicht nur wie oft, sondern auch wie – mit welchen Bezeichnungen, Sprachbildern und Zuschreibungen ausländische Kriminelle im Vergleich zu österreichischen vorkommen, ist durchaus bemerkenswert. Das dominierende Bild in der Kronen Zeitung: Osteuropäer, Afrikaner und Geflüchtete – vor allem Afghanen, Syrer und Iraker – sind nicht nur kriminell, sondern besonders „brutal“, „aggressiv“ und handeln aus niederen oder gar keinen erkennbaren Motiven. Bei inländischen Tatverdächtigen waren solche Zuschreibungen selten zu finden.

Die Realität der Krone 2017 und die Realität der Anzeigenstatistik:

Quelle: Eigene Erhebung, Sicherheitsbericht 2017 des BMI.

Wenn die Kronen Zeitung etwa über Sexualdelikte schreibt, dann sind in 89 Prozent der Berichte die Verdächtigen Ausländer. Ihr Anteil laut Statistik liegt hingegen bei nur 40 Prozent. Bei Artikeln zu Morden, Einbrüchen, Diebstählen und Raub ist dieses Missverhältnis zwar deutlich kleiner, aber wie die Krone berichtet, ist auch hier mitunter problematisch. Aber schauen wir uns einige der einzelnen Delikte im Detail an:

1. Wo sind die heimischen Dealer?

Bei Berichten über Drogen vermittelt die Krone das Bild, dass Dealer fast ausschließlich aus Afrika, Afghanistan und Osteuropa kommen. Österreicher sind eher selten in der Rolle der Tatverdächtigen, obwohl sie laut Statistik 63,2% der Tatverdächtigen ausmachen. Und obwohl deutsche Staatsbürger im Ranking der fremden Tatverdächtigen nach dem Suchtmittelgesetz den vierten Platz besetzen, haben wir für das Jahr 2017 keinen einzigen Artikel in der Krone über einen deutschen Drogendealer gefunden.

Das Verhältnis von ausländischen zu inländischen Drogendealern wird in der Krone auf den Kopf gestellt: Laut Kriminalstatistik waren 2017 zwei von drei Dealern Österreicher. In der Krone sind jedoch zwei von drei Dealern Ausländer:

  • Von 46 ausgewerteten Artikeln im Bereich Suchtmittelkriminalität mit eindeutiger Herkunftsbezeichung sind in 30 Artikeln die Tatverdächtigen Nicht-Österreicher sind, das entspricht 65%.
  • In 16 Artikeln über Drogenkriminalität kommen die Tatverdächtigen aus Österreich.
  • In 4 weiteren Artikeln gibt es keine Herkunftsbezeichnung.

Zudem gibt es immer wieder sprachliche Unterschiede: Während bei österreichischen Tätern oft auf die Hintergründe einer Tat eingegangen wird und man eher Einzelfälle beschreibt, pauschalisiert die Krone die Straftaten von Ausländern und schreibt ihnen negative Eigenschaften wie Brutalität und Aggressivität zu.

So heißt es in einem Artikel zu einem Dealer aus Marokko „… wenig überraschend im Dunstkreis der Nordafrikanerszene“.

Wo hingegen die Krone bei österreichischen Tätern ein nachvollziehbares Motiv in den Vordergrund rückt: „Lehrling besserte mageres Gehalt mit Drogenhandel auf.“

(Für vollständigen Artikel Bild anklicken)

In dem folgenden Fall aus Tirol geht es um einen 38-jährigen Langzeitarbeitslosen, der mit dem Dealen seine Sucht finanziert:

(Für vollständigen Artikel Bild anklicken)

Bei ausländischen Dealern zeigen die angegebenen Gründe eher, was für einen hedonistischen Lebensstil sie führen – Foto inklusive. Drei Mal erwähnt die Kronen Zeitung im folgenden Artikel, dass der Dealer einen S-Klasse Mercedes fährt:

2. Wo sind die heimischen Sexualverbrecher?

2017 wurden 2.501 Tatverdächtige wegen Vergewaltigung, sexueller Missbrauch oder sexuelle Belästigung, angezeigt. Davon waren 1.007 Ausländer, was 40% der Tatverdächtigen entspricht.

Die Kronen Zeitung vermittelt jedoch ein verzerrtes Bild von Sexualkriminalität: In 34 von 38 Artikeln mit eindeutiger Herkunftsbezeichnung waren die Tatverdächtigen Nicht-Österreicher, was 89% ausmacht, also mehr als doppelt so viele als in der Statistik des Innenministeriums. (Aus weiteren 22 untersuchten Artikeln war die Herkunftsbezeichnung nicht eindeutig ablesbar.)

Sieht man sich die Berichte genauer an merkt man, dass die Krone auch sprachlich einen Unterschied zwischen Inländern und Ausländern macht. So steht etwa bei ausländischen Tätern die Brutalität im Vordergrund:

Mit der Verurteilung ihres Peinigers ist […] ein Albtraum zu Ende gegangen. Er schlug, trat, fesselte und vergewaltigte seine Freundin […] immer wieder bestialisch.

(Für vollständigen Artikel Bild anklicken)

Außerdem werden bei ausländischen Tätern Erklärungen oder Begründungen für ihre Straftat meist in Zweifel gezogen.

Bursch redete sich auf psychische Probleme und Drogen aus

(Für vollständigen Artikel Bild anklicken)

Wenn es sich jedoch um Inländer handelt, sieht die Berichterstattung anders aus. Hier werden manchmal sogar die Aussagen des Opfers in Zweifel gezogen. Aus einem potenziellen Vergewaltigungsfall wird dann kurzerhand „Wilder Sex im Prater“.

Sie behauptet, […] vergewaltigt worden zu sein.

3. Tragödien, psychische Probleme und Brutalität

Während sich Morde sowohl in der Krone-Berichterstattung als auch in der Anzeigenstatistik etwa zu gleichen Teilen auf österreichische und ausländische Tatverdächtige verteilen, fiel uns bei der Recherche auf, dass besonders österreichischen Tatverdächtigen und  Tatverdächtigen ohne explizite Herkunftsbezeichnung oft eine psychische Erkrankung zugeschrieben wird:

4. Viele pauschale Verurteilungen

Ob man die Herkunft in der Kriminalberichterstattung nennen soll oder nicht, sorgt immer immer wieder für Diskussionen. Im Ehrenkodex für die österreichische Presse gibt es dazu keine Empfehlung, während das deutsche Pendant darauf verweist, dass “die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens” führen sollte. Deswegen steht man Herkunftsbezeichnungen eher kritisch gegenüber, da dadurch Vorurteile gegenüber Minderheit geschürt werden könnten. Wenn eine Bevölkerungsgruppe überdurchschnittlich oft kriminell wird, ist es natürlich auch die Aufgabe von Journalisten, das zu berichten und die Hintergründe zu erklären. Es gibt aber einen Unterschied, ob man ein gesellschaftliches Phänomen beschreibt, erklärt und einordnet, oder ob man mit der Berichterstattung Feindbilder schafft bzw. letztlich ein völlig verzerrtes Bild der Realität vermittelt.

Wir wollten von der Kronen Zeitung gerne wissen, warum sie mehr über ausländische als über österreichische Täter berichtet, haben aber leider keine Antwort auf unsere Anfrage bekommen.

Co-Autorin: Souha Khemiri

Exkurs: Methodik und Rohdaten

Wir haben uns mit einer großen Zahl an Schlagworten, wie „Dealer“, „Dieb“, „Mord“, etc im Onlinemanager der APA einen Überblick über die Kriminalberichterstattung der Kronen Zeitung in ganz Österreich verschafft. Im nächsten Schritt haben wir Artikel zu Einbrüchen, Diebstählen und Raub, Mord und Totschlag sowie Drogen- und Sexualdelikten ausgewertet und uns dabei angesehen, ob die Nationalität der Täter – egal ob Österreicher oder Ausländer – genannt wurde, wo im Text die Herkunftsbezeichnungen zu finden waren (Überschrift, Lead oder Fließtext) und ob auch andere Medien über die Straftaten berichtet haben.

Diese Ergebnisse haben wir mit der Kriminalstatistik 2017 verglichen, um zu sehen, ob es in manchen Bereichen eine verzerrte Berichterstattung gibt. Da wir uns sehr spezifische Straftaten angesehen haben, die ausgewählt wurden, weil sie oft für Diskussionen sorgen und sehr polarisierend sind, waren nur die Zahlen bestimmter Delikte für die statistische Auswertung relevant. Für die Grafik haben wir die statistischen Daten mit unserer Auswertung verglichen, wobei wir alle Beiträge ohne explizite Herkunftsnennung abgezogen haben.

Bezeichnungen wie „der gebürtige Inder“ oder der „türkischstämmige Vater“ haben wir mit Berichten anderer Medien verglichen, um zu klären, ob die Tatverdächtigen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, um möglichst genau und fehlerfrei auszuwerten. Bei Tätergruppen, die sowohl Österreicher als auch Ausländer umfasst haben, wurde der Artikel je nach Mehrheitsverhältnis zu den inländischen oder ausländischen Tatverdächtigen gezählt.

 

Update: In der ersten Version dieses Artikels war der Anteil der ausländischen Sexualstraftäter in der Krone statt mit 89% mit 68% ausgewiesen, da Tatverdächtige mit unklaren Angaben zur Staatsbürgerschaft versehentlich als Österreicher gerechnet wurden. Sie werden nun in der Berechnung nicht berücksichtigt.

Die Salzburger Krone schrieb im vergangenen Jahr monatelang gegen einen geplanten Windpark an. Mit einseitigen Informationen, verzerrten Fakten und Verunglimpfungen der Gegenseite. Die Kampagne endete schlagartig, als der Chefredakteur in Pension ging, was möglicherweise kein Zufall war.

Über Windräder kann man sich schon mal streiten. Groß sind sie, ja. Und auch nicht wirklich schön. Wenn sie so mitten im Salzburger Lungau stehen würden, dann könnten sie schon manchen ein Dorn im Auge sein, diese hunderte Meter hohen Monster. Auf der anderen Seite hat so ein Windrad auch seine Vorteile. Die ressourcenschonende Energieproduktion zum Beispiel, oder dass der Bau so eines Windradparks einige Arbeitsplätze schafft.

Acht Stück hätte die Lungauwind GmbH gerne errichtet, in Salzburg, auf dem Fanningberg in Weißpriach, einem Skigebiet. Sie musste das aber Projekt stoppen. Der Grund: Man wollte die Bevölkerung nicht spalten – zu viel war schon über die Windräder gestritten worden.

Die Posse um den Fanningberg

Woran das wohl liegen kann? Immerhin gibt es einige Windparks in Österreich, etwa in Bruck an der Leitha, wo 2000 mit Bürgerbeteiligung Windräder errichtet wurden, oder den Tauernwindpark, der lange Zeit den Rang als höchstgelegener Windpark Europas hatte. Auch wenn es immer wieder Kritik an Windradprojekten gibt– die Kritik an Fanningberg hatte ein völlig anderes Ausmaß.

Denn weder in Bruck an der Leitha, noch in den Niederen Tauern fuhr die Krone eine derart exzessive Kampagne gegen den Bau der Windräder. Zum Vergleich: Ganze zwölf Texte widmete die Krone damals der Errichtung des Tauernwindparks. Lesebriefe eingeschlossen veröffentlichte die Krone im vergangenen Jahr hingegen 210 Texte über Windräder – der weitaus größte Teil betraf den Windpark im Lungau.

Übersicht über erschienene Texte

Sind Windräder vielleicht einfach interessanter geworden über die Jahre? Wenn, dann nur für die Krone. Laut einer Auswertung der APA widmete der Kurier dem Thema Windräder in der selben Zeit 70 Texte, bei Österreich waren es 29 und bei Heute gar nur neun. Selbst die lokalen Salzburger Nachrichten beschäftigten sich nicht einmal in halb so vielen Texten mit dem Thema, wie die Krone.

Der Startschuss für die Kampagne fällt am 16. Juni 2018 mit einer Doppelseite. „Was in Salzburg droht“ prangt am Titel. Bilder der Idylle und eines massiven Windrades verdeutlichen, welche Monster im Anmarsch sind. Und wer Schuld ist? Die Grünen. Diese seien „eine Gefahr“. Hier handelt es sich wohlgemerkt um keinen Kommentar, sondern um einen scheinbar neutralen Bericht.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 16. Juni 2018

Am 22. Juli dann folgt der erste Leserbrief – ein beliebtes Mittel der Krone, um eine öffentliche Meinung darzustellen, die so vielleicht nicht unbedingt die tatsächliche Meinung der Menschen abbildet.

In dem Leserbrief ist ironischerweise die Rede von einer Kampagne der Windradinitiatioren. Dankenswerterweise wird auch gleich angeführt, was denn so eine Kampagne kennzeichnet. Vier Dinge seien das, nämlich:

  1. Die Bevölkerung wird nur einseitig informiert (einzig von den Windkraftbetreibern und –befürwortern).
  2. Wichtige (negative) Fakten werden zurückgehalten.
  3. Kritiker kommen nicht zu Wort, werden ignoriert oder gar unter Druck gesetzt.
  4. Alle Beteiligten am Projekt werden mit dem Versprechen eines regelrechten „Geldregens“ geködert.

Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob denn die Krone ihre eigenen Anforderungen einer Kampagne erfüllt. Ich habe sämtliche zum Windpark im Lungau in der Krone erschienenen Texte analysiert und geprüft, wie ausgewogen, wie groß, wie angsteinflößend das Boulevardblatt berichtet.

Das Ding mit den Titelseiten

Die Titelseite einer Zeitung hat eine klare Funktion: Auf den ersten Blick zu zeigen, was die wichtigsten Nachrichten an diesem Tag sind. Blätterte man die Krone im Zeitraum von August bis November durch, wurde klar: Windräder bewegen die Welt. Immerhin auf neun Titelseiten erwähnt die Krone die Windräder.

Collage aus Titelseiten der Salzburger Krone zwischen August und Oktober 2019

Mal sind es nur Zweizeiler, mal riesige Bilder, doch sie alle haben gemein: Ihre Aussage ist, dass keiner die Windräder haben will.

Im Blattinneren findet sich ein Konvolut an mehr oder weniger ausgewogenen Berichten, ganze Doppelseiten sind voll mit Stimmen von Wirten, deren Geschäft verübelt wird, von Kämpfern gegen den Windrad-Wahnsinn und von Argumenten gegen den geplanten Park. Seitenweise argumentieren Alpenvereine gegen die Zerstörung der Idylle, werden Bilder von Vögel gezeigt, die den Monstern zum Opfer fallen würden, und Titel wie „Salzburg braucht keine riesigen Windräder“ veröffentlicht. Nicht zu kurz kommen dabei selbstverständlich die Grünen, die an allem Übel schuld sein sollen.

Collage aus Texten, die zwischen Juni und Oktober 2018 in der Salzburger Krone erschienen

Der Chef selbst schreibt

Bei der Lektüre des facettenreichen Verrisses fällt eine Sache auf: Viele der Texte sind vom damaligen Chefredakteur der Salzburger Krone, Hans Peter Hasenöhrl, höchstpersönlich geschrieben. Auch mit Kommentaren geizt er nicht, Mitte Oktober etwa vergleicht er das drohende Windradungeheuer mit einer Erdbebenkatastrophe und einer Hitzewelle und betet den Lesern vor: „Herr, bewahre den Lungau vor den Windrädern“.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 14. August 2018

Ende September dann ruft er auf, Salzburg vor den Grünen zu schützen, weil sie – was sonst – mit ihrem Öko-Strom alle in Gefahr bringen.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 29. September 2018

Ganz Salzburg hasst Windräder

Doch was wäre die Krone, würde sie nur die Meinung ihres Chefredakteurs wiederspiegeln? Selbstverständlich steht doch sicher ganz Salzburg hinter ihm, oder nicht? Diesen Eindruck erweckt das Blatt jedenfalls, in dem alle paar Tage wütende Leserbriefe gedruckt werden. Von Windrädern als „Störfaktor“ ist da etwa die Rede, oder von einem „Verbrechen an der Natur und den Bergen“. Ja, ganze Gedichte widmen die Krone-Leser dem Thema – wohlgemerkt, diese drei Beispiele wurde in nur einer Woche veröffentlicht. Dutzende weitere Beispiele lassen sich in der Salzburger Krone finden.

Collage aus Leserbriefen, die zwischen 23. und 30. August 2018 in der Salzburger Krone erschienen

Sieht so die Meinung der Salzburger aus? Wer nur die Krone liest, könnte das denken. Wäre da nicht eine repräsentative Umfrage unter 800 Salzburgerinnen und Salzburgern über 16 Jahren, in der sich 93 Prozent der gefragten für Windräder aussprechen.

Wie ist das mit der Einseitigkeit?

Zurück also zu den Merkmalen einer Kampagne: Die einseitige Information, die Fakten, die zurückgehalten werden, die Kritiker, die nicht zu Wort kommen und falsche Versprechungen. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Doch halt, eine Sache darf man der Krone nicht unterschlagen. Sie hat sehr wohl Stimmen von Lesern veröffentlicht, die Windkraft gegenüber positiv eingestellt sind. Nämlich exakt eine.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 10. August 2018

„Windräder sind schirch“

Was also ist der Grund für eine dermaßen breit aufgestellte Kampagne? Sind es finanzkräftige Inseratenkunden, in deren Interesse die Krone Salzburg schon einmal eine massive Kampagne fuhr, wie das Beispiel Spar zeigt? Oder gibt es eine viel einfachere Erklärung?

Möchte man Franz Baksa, einem der Geschäftsführer der Lungauwind GmbH glauben, so ist der Grund erschreckend simpel: Hans Peter Hasenöhrl mag keine Windräder. „Er vertritt persönlich die Meinung, Windräder sind schirch“, sagt Baksa. Er habe versucht, mit Hasenöhrl Kontakt aufzunehmen, sei aber leider nicht zu ihm durchgedrungen. Die Lungauwind GmbH legte jedenfalls schlussendlich die Widmung zurück, und das Projekt auf Eis, bis sich die Stimmung in der Region vielleicht wieder ändert. „Wie wollten endlich raus aus den Medien“, sagt Baska, „sonst hätten wir keine Ruhe mehr gehabt.“ Laut Baksa verbreitete die Krone zahlreiche Unwahrheiten gegen das Projekt, rechtlich dagegen vorgehen wolle er jedoch nicht: „Was bringt’s denn?“, fragt Baksa, „Die Krone schreibt, wovon sie glaubt, dass die Mehrheit es denkt. Und dann übernehmen die Krone-Leser diese Meinung.“

Die dünnen Nerven der Politik

Könnte es vielleicht sein, dass Windräder am Fanningberg tatsächlich fehl am Platz sind? Projektentwickler, die Windräder bauen müssen, müssten diverse Kriterien prüfen. Sie müssen den Vogelzug beobachten, Schallemissionsberechnungen durchführen und Abstandregeln überprüfen. Ob der geplante Windpark am Fanningberg diesen Kriterien entspricht, kann ich als Laie in Windradfragen freilich nicht beantworten.

Es gibt aber jemanden in Salzburg, dessen Meinung zu dieser Kampagne spannend zu hören ist: Franz Kok. Der ist nämlich nicht nur Politikwissenschafter an der Universität Salzburg, sondern war dazu lange Zeit im Windrad-Business – er war Gesellschafter zweier Windkraft-Unternehmen von deinen eines in Konkurs ging und ein anderes sich in Liquidation befindet. Und er ist Teil der Berichterstattung in der Krone: Weil er sich einst für einen Platz auf der Grünen Liste bei der letzten Nationalratswahl bewarb, ihn aber nicht bekam, ist Kok laut Krone mitten in der Grünen Verschwörung, die das Skigebiet zerstören will.

Er sagt: „Wir haben in Salzburg noch keine Erfahrung mit Windenergie, das öffnet Tür und Tor für Veto-Player“, und meint damit, dass komplexe Genehmigungsverfahren und eine Politik, die kurz vor der nächsten Gemeinderatswahl dünne Nerven hat, dazu führen, dass mediale Kampagnen noch stärker einschlagen als ohnehin schon. Dazu komme, dass die Tourismusindustrie der Politik im Nacken sitze und sich darum sorge, ob Windräder in einem Skigebiet ein schlechtes Image für die Region bringen würden. Laut Kok gebe es außerdem einen interessanten Schnittpunkt: Chefredakteur Hasenöhrls Abneigung gegen Windräder und seine Abneigung gegen die Salzburger Grünen – die einzigen, die realpolitisch den Ausbau der Windkraft in Salzburg forcieren würden. Auch Franz Kok sagt, er hätte Hasenöhrl mehrmals das Gespräch angeboten. Erfolglos.

Was der Chefredakteur dazu sagt

Aber kann das wirklich stimmen? Hat hier tatsächlich ein Chefredakteur seine publizistische Macht missbraucht und sein persönliches Ästhetikempfinden als Berichterstattung verkauft? Kobuk hat Hans Peter Hasenöhrl kontaktiert und ihn mit den Vorwürfen konfrontiert. Wir wollten von ihm wissen, was der Grund für die ungewöhnlich vielen negativen Berichte war, warum es in vergleichbaren Fällen diese Art der Berichterstattung nicht gab, warum die Gegenseite so selten zu Wort kam, ob er auf die Gesprächsangebote von Baska und Kok einging und wie er die Berichterstattung zu den Windrädern rückblickend sieht. Er antwortet schriftlich und schreibt: „Persönliche Befindlichkeiten spielen in der Krone keine Rolle. Ich habe weder was gegen Windräder noch gegen Flusskraftwerke, es sei denn (…) Naturlandschaften werden zerstört.“ Andere Windparks „in der unendlichen Weite von St. Pölten“ fände er gut, außerdem wäre nicht nur die Krone, sondern auch der Alpenverein gegen das Projekt. Weder von Kok, noch von Baksa seien schriftliche Stellungnahmen bei der Krone eingelangt.

Doch der Windrad-Spuk nahm ohnehin im November sein Ende. Nämlich dann, als Hans Peter Hasenöhrl in Pension ging. Seitdem erschien keine Titel- oder Doppelseite, kein Kommentar, kein Artikel oder Leserbrief mehr zu dem Thema. Der letzte Text dazu war, wie sollte es anders sein: Ein Leserbrief, in dem Hans Peter Hasenöhrls Einsatz gegen die Windräder gelobt wird.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 11. September 2018

Von über mehr als 100 Sex-Attacken berichteten alleine Österreichs größte Medien im vergangenen Jahr. Dabei ging es um so genannte „Sex-Unholde“, „Sex-Strolche“, „Sex-Richter“,  „Sex-Opas“. Aber wer sind diese Leute? Ist ein Sex-Lehrer also einfach ein professioneller Ausbildner? Kostet ein Sex-Opa einfach seinen Lebensabend aus? Und welchen Lausbubenstreich hat sich wohl ein Sex-Strolch schon wieder erlaubt? Tatsache ist, dass all diese Begriffe Vergewaltiger bezeichnen oder Menschen, die im Verdacht stehen, jemanden sexuell belästigt oder missbraucht zu haben – zumindest auf den bunten Seiten des österreichischen Boulevards.

Gang und gäbe ist aber der Begriff „Sex-Attacke“. Das Wort muss als Synonym für so ziemlich alles herhalten, was irgendwie mit sexueller Gewalt zu tun hat. Vor allem in „Österreich“ und der „Kronen Zeitung“ wimmelt es von „Sex-Attacken“. Alleine in der gedruckten Ausgabe von „Österreich“ kam das Wort im Jahr 2018 38-mal vor, in der Print-Krone 29-mal. Die seltsame Wortschöpfung ist aber keine Eigenheit des Boulevards. Auch Regionalmedien, die „Presse“ und sogar etwa APA bedienen sich des bequemen Wortes „Sex-Attacke“.

Fehlende Differenzierung

Bequem deshalb, weil es alles bedeuten kann: von belästigenden Aussagen über Berührungen bis hin zur Vergewaltigung. Hier liegt das erste Problem des Begriffs: Er wirft alle Taten in einen Topf. Denn auch wenn alle Übergriffe – egal ob verbal oder physisch – furchtbar sind, müssen sie unterscheidbar bleiben. Wie wenig das Wort „Sex-Attacke“ aussagt, zeigt eine Auswertung aller Vorkommen des Wortes im Jahr 2018.

Gewalt ist nicht einvernehmlich

Mit dem Begriff verletzen Medien aber nicht nur einen journalistischen Grundsatz – nämlich den der Genauigkeit – sondern verharmlosen auch sexuelle Gewalt. Denn Sprache schafft bis zu einem bestimmten Grad auch Realität. Das Wort „Vergewaltigung“ enthält das Wort „Gewalt“ bereits, „Sex“ suggeriert hingegen Einvernehmlichkeit. Damit wird Gewalt heruntergespielt oder sogar verniedlicht. Dass der Begriff „Sex“ für gewaltsame Handlungen zu neutral ist, stellte auch der Presserat schon einmal fest.

Dazu kommt, dass „Sex-“ als Vorwort auch in anderen, positiven oder zumindest gewaltfreien Zusammenhängen verwendet wird. „Österreich“ schreibt etwa von „Sex-Stars“, „Sex-Ehepaaren“ oder „Sex-Unfällen“. Sogar „Sex-Attacke“ kommt einmal in einem Kontext vor, der nichts mit sexueller Gewalt zu tun hat:

In Clown-Schminke, knappen Röcken und mit viel nackter Haut machten drei sexy Clowns die Wiener City unsicher. Hinter der Sex-Attacke steckt die Stripperin und Agenturchefin Stella von Sydney, die zumindest den Männern die Angst vor Clowns nehmen wollte
.

„Solche Bezeichnungen verhöhnen die Betroffenen, den TäterInnen signalisiert man, es sei ‚alles halb so wild.‘ Und wir, als Gesellschaft, bekommen das Gefühl, es sei eh irgendwie nur ein Kavaliersdelikt“, sagt Maria Mayrhofer vom Verein Aufstehn, der Ende 2017 eine Unterschriftenaktion gegen die verharmlosende Sprache gestartet hat. Bis dato haben über 4.200 Menschen die Aktion unterstützt.

„Sex“ beruhe auf Konsens, sagt Mayrhofer, alles andere sei ein Übergriff, eine Belästigung, eine Vergewaltigung oder ein Missbrauch. „Das Strafgesetzbuch kennt in der jeweiligen Situation die richtigen Bezeichnungen.“ Gerade bei Berichten über sexuelle Gewalt würden Medien oft die Unschuld der Betroffenen in Frage stellen, indem sie klischeehafte Ausdrücke verwenden, die auf das Aussehen der Opfer verweisen oder mit Ausreden die Schuld der TäterInnen relativieren. Das nennt man Victim Blaming.

Vergewaltigung ist kein Sex

Bleibt nur die Frage: Warum machen Medien es trotzdem? Anfragen an „Krone“ und „Österreich“ blieben unbeantwortet. „Wir befinden uns derzeit in einem Prozess der redaktionellen Neuausrichtung“, lässt Heute.at-Chefredakteurin Jacqueline Büchi per E-Mail wissen. Der Ausdruck “Sex-Attacke” werde nicht mehr verwendet, auch „ähnliche Boulevard-Komposita“ werde man auf Heute.at künftig „deutlich seltener“ lesen. Print-Chef Christian Nusser hält den Begriff „Sex-Täter“ für falsch, „Heute“ habe deshalb schon vor „geraumer Zeit“ die Entscheidung getroffen, den Begriff nicht mehr zu verwenden.

Wolfgang Höllrigl, ehemaliger Chefreporter bei „Heute“ und inzwischen in Pension hat hingegen eine andere Meinung zu dem Begriff Er sprach im Jänner bei der „Aufmacher Medienrunde“ offen über die Wortwahl in der Berichterstattung bei Sexualdelikten. Er begründet das häufige Vorkommen von „Sex-Attacke“ mit dem begrenzen Platz im Zeitungslayout. „Wenn du zwei Mal 18 Anschläge hast, ist Sex-Attacke schon ziemlich gut“, antwortete er auf eine Frage aus dem Publikum. Ob er den Begriff als verharmlosend empfindet? „Diese Sensoren habe ich nicht so.“ Dass das Wort verallgemeinernd ist, gab er allerdings selbst zu – das sei für ihn allerdings nichts negatives. „Sex-Attacke ist einfach alles“, sagte Höllrigl.

Dass „Sex-Attacken“-freie Berichterstattung auch auf engstem Raum funktionieren kann, zeigen allerdings etliche Beispiele, auch aus der „Krone“ und „Österreich“. Möglicherweise auch deshalb, weil das Wort „Vergewaltigung“ gar nicht so viel mehr Platz im kostbaren Print-Layout braucht als „Sex-Attacke“, nämlich gerade einmal um drei Zeichen mehr.

Auch der Verein Aufstehn hat 2017 eine E-Mail an alle Chefredakteure von Österreichs Medien gesendet. Manche Zeitungen hätten sich daraufhin in Artikeln kritisch mit dem Thema auseinandergesetzt, andere hätten auch zugesichert, sich mit der Problematik intern auseinanderzusetzen, erzählt Mayrhofer.

Was sie als Alternative zu den „Sex“-Begriffen vorschlägt? „Die Medien müssen die Dinge beim Namen nennen“, sagt Mayrhofer. Auch wenn in der Titelzeile wenig Platz ist.

Der Presserat ist der gerüchteweise zahnlose Kopf der freiwilligen Selbstkontrolle von Printmedien in Österreich. Für diesen Freitag lädt er zu seinem Rückblick auf das Jahr 2018. Grund genug, sich anzusehen, welche unmittelbare Wirkung seine Entscheidungen bei den betroffenen Medien zeigten. (Spoiler: es gibt noch Luft nach oben.)

Nachfolgend alle im letzten Jahr festgestellten Verstöße gegen den journalistischen Ehrenkodex, wo vom Presserat zumindest eine freiwillige Veröffentlichung der Entscheidung im jeweiligen Medium gefordert wurde.

Grün: das Medium ist der Aufforderung anstandslos gefolgt
Gelb: es gab zumindest eine wahrnehmbare Reaktion (außer Löschungen, die niemand mehr mitbekommt)
Rot: der Presserat wurde mehr oder weniger ignoriert

(Der erste Link verweist stets auf das PDF des Presserats mit Falldarstellung und Entscheidung)


23.01.2018 – Krone:  Vorwürfe gegen das Grazer „Forum Stadtpark“, es gäbe Verbindung zu Vandalismus bei Protesten gegen das Murkraftwerk, ohne den Beschuldigten eine Stellungnahme zu ermöglichen

Reaktion: Keine. Artikel steht unverändert online.


25.01.2018 – Krone: Berichterstattung über Suizid eines kroatischen Generals („Starker Abgang wie einst von Göring“)

Reaktion: Keine


01.02.2018 – News: Überschießende Berichterstattung über Suizid eines 11-jährigen Asylwerbers

Reaktion: Erwähnung der Entscheidung im Editorial. Zudem hob der Senat bereits in seiner Entscheidung positiv hervor, dass in der Folgeausgabe ein Essay zum Thema „sensible Medienberichterstattung über Suizide“ veröffentlicht wurde.


08.03.2018 – Österreich: Bericht über „Hausverbot für Nikolo“ nicht ausreichend recherchiert – erforderliche Stellungnahme erst in Folgeartikel nachgereicht

Reaktion: Keine


08.03.2018 – OÖN: „Marchtrenker feiert Ende seiner Ehe mit Scheidungsparty für 350 Gäste“ — Berichterstattung über (zu) private Details einer Scheidung

Reaktion: Da es sich um ein Schiedsverfahren aufgrund der Beschwerde einer direkt betroffenen Partei handelte, musste in diesem Fall die Entscheidung nach den Vorgaben des Presserats veröffentlicht werden. Zudem wurde der Online-Artikel entfernt.


20.03.2018 – Krone: Falsche Zahlen zu straffälligen Asylwerbenden („45,9% der kriminellen Ausländer sind Asylwerber“)

Reaktion: Keine Erwähnung der Entscheidung. Artikel ohne Berichtigung gelöscht.


03.04.2018 – Wochenblick: In einer Artikelserie über Migration in Schweden wurde das Land dargestellt, „als wäre es auf  dem Weg in den Untergang“ — die Leser wurden von der Autorin „auf geradezu systematische Art und Weise getäuscht“

Reaktion: Mehrere Bildschirmseiten lange Erwiderungen von Chefredakteur und Autorin (Archivlinks), in denen dem Presserat u.a. unlautere (Konkurrenz-)Motive unterstellt werden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den detaillierten Kritikpunkten des Presserats erfolgte nicht, trotz Beteuerung, die Autorin habe in einem Kommentar „ausführlich sämtliche Anschuldigungen widerlegt“.


08.05.2018 – Krone: Veröffentlichung des unverpixelten Bildes eines Mordopfers verstößt gegen Ehrenkodex — Persönlichkeitssphäre ist auch über den Tod hinaus zu wahren

Reaktion: Keine Erwähnung der Entscheidung. Artikel gelöscht.


13.06.2018 – Krone: Unverpixeltes Foto von Mordopfer

Reaktion: Keine Erwähnung der Entscheidung. Privates Facebook-Foto aus Artikel gelöscht.


26.06.2018 – Österreich /14.09.2018 – Krone, Heute: Detaillierte Berichterstattung über Suizid von DJ Avicii erhöht Gefahr von Nachahmung

Reaktion (alle drei Medien): Keine. Alle Artikel mit den Details des Suizids stehen unverändert online.


Zeit für einen leichteren Zwischengang: Hier die abgewiesene Beschwerde der „Gräfin vom Naschmarkt“, samt Feststellung des Presserats: „Vernichtende Restaurankritik [ist] kein Ethikverstoß“

Reaktion: Severin Corti unter seinem Artikel für den selbstlosen Einsatz danken.


03.07.2018 – OÖN, Trend: Video von Ikea in redaktionellem Online-Artikel nicht ausreichend gekennzeichnet

Reaktion: OÖN veröffentlichen die Entscheidung und räumen ein: „[Das] Video […] hätte mit dem Wort ‚Quelle: Ikea‘ versehen werden müssen. Wir entschuldigen uns dafür.“ Im Originalartikel bleibt es dennoch ungekennzeichnet.

Der Trend löscht das Video aus dem Artikel. Keine Erwähnung der Entscheidung.


09.10.2018 – Wochenblick: SPÖ und ÖGB wird Gewaltbereitschaft unterstellt und zu Unrecht vorgeworfen, strafbare Handlungen bis hin zu Körperverletzungen und Mord gutzuheißen.

Reaktion: ? (Printausgaben nicht verfügbar)


24.10.2018 – Zur Zeit: Diffamierung von Roma und Sinti als „Zigeuner“ und ethnische Zuordnung einer schweren Straftat ohne Beleg

Reaktion: Keine Erwähnung der Entscheidung. Artikel steht unverändert online.


24.10.2018 – Österreich: Veröffentlichung zahlreicher Fotos von ermordeten Frauen stellt Persönlichkeitsverletzung dar

Reaktion: Keine Erwähnung der Entscheidung. „Österreich“ verpixelt nun aber meist die Augen minimal, was die Erkennbarkeit der Opfer jedoch nur unwesentlich einschränkt.


11.12.2018 – alles roger: Artikel über „Österreich-Netzwerk“ von George Soros nicht ausreichend recherchiert, persönlichkeitsverletzend und diskriminierend

Reaktion: ? (Printausgaben nicht verfügbar)


Resümee

Dass sich die üblichen Verdächtigen eher wenig um Verurteilungen durch den Presserat kümmern und diese in manchen jeann… journalistischen Parallelwelten sogar als Ritterschlag gehandelt werden, überrascht nicht weiter. Wenn aber sogar grenzwertige Suizidbeschreibungen bei den größten Boulevardmedien des Landes trotz Presseratsurteil unverändert online bleiben, dann wird die Grenze zwischen freiwilliger Selbstkontrolle und -aufgabe fließend.

Die Kronen Zeitung beherrscht das Kunststück, ihre Leser mit „fast“ korrekten Fakten gezielt in die Irre zu führen. Hier ein klassisches Beispiel:

(Bild anklicken für vollständigen Artikel)

Steiler Anstieg bei Abschiebungen […] 8254 Personen außer Landes gebracht […] 42 Prozent strafrechtlich verurteilt […] fast jeder zweite Aslywerber […]

Viele, die das schnell lesen, werden glauben, es seien über 8.000 Asylwerber abgeschoben worden und 42 Prozent davon waren vorbestraft. Allein, das stimmt nicht …

Die „Abschiebungen“

Laut Innenministerium wurden nicht 8.254 Asylwerber abgeschoben, sondern 2.909 Fremde, zuzüglich 1.754 Dublinüberstellungen in andere EU-Länder. Der Rest sind, anders als die Überschrift suggeriert, freiwillige Ausreisen. Dem Artikel kann man das nur entnehmen, wenn man ihn sehr aufmerksam liest, seine Überschrift ignoriert und bei den Detailzahlen nicht aussteigt.

Und nicht alle Abgeschobenen sind Asylwerber, wie der fettgedruckte Artikelvorspann suggeriert. Unter den 2.909 Fremden befinden sich auch viele straffällige Europäer und ähnliche asylferne Fälle, was uns zum nächsten Punkt führt …

Die „42 Prozent“

Alarmierend falsch ist diese „Krone“-Behauptung:

Alarmierend: […] fast jeder zweite Asylwerber, der Österreich verlassen muss, wurde zuvor wegen einer begangenen Straftat verurteilt

Denn dieser Prozentwert enthält laut Auskunft des Ministeriums auch alle Nicht-Asylwerber, die abgeschoben wurden. Und um z.B. als Europäer aus Österreich abgeschoben zu werden, muss man in der Regel schon was angestellt haben (die letzte aussagekräftige Statistik dazu stammt aus der Zeit, bevor 2014 das BFA übernommen hat, und deutet auf über 70 Prozent Straftäter unter den abgeschobenen Nicht-Asylwerbern hin). Das heißt, hier wurden Asylwerber mit einer überwiegend kriminellen Personengruppe zusammengefasst, was den Prozentwert der Vorbestraften zwingend nach oben treibt.

Auf der anderen Seite wurden aber jene Asylwerber, die diesen Wert deutlich gesenkt hätten, nicht in die Rechnung einbezogen: Nämlich alle, die nach Aufforderung das Land freiwillig verlassen haben und die naturgemäß deutlich weniger mit dem Gesetz in Konflikt kamen.

Ein korrekter Prozentwert, statt den 42,8 der „Krone“, lässt sich im Nachhinein leider nicht berechnen, weil das Innenministerium laut eigener Aussage keine Abschiebestatistik führt, in der Asylwerber und andere Fremde gesondert aufscheinen. Das heißt auch, jeder Medienbericht, der eine konkrete Zahl von Asylwerbern nennt, die in ihre Heimat abgeschoben wurden, ist falsch — weil das Ministerium hier immer Asylwerber und andere Fremde vermischt.

Und noch ein Trick?

Getrickst wurde aber möglicherweise auch noch an anderer Stelle: So beziehen sich alle Abschiebezahlen auf Jänner bis August, aber der Anteil der Vorbestraften auf ein weitaus engeres Zeitfenster von Mai bis August. Das könnte erfassungstechnische Gründe haben, legt aber auch den Verdacht einer willkürlichen statistischen „Optimierung“ nahe, um den Innenminister in der Kronen Zeitung dann wie folgt zu zitieren:

„Behauptungen, die Behörden würden vor allem ‚gut integrierte Personen‘ abschieben, sind damit ja wohl widerlegt“, erklärt Innenminister Herbert Kickl.

Diese Widerlegung wäre noch überzeugender, wenn die Unbescholtenen nicht in der Mehrheit wären, aber die „Krone“ ist seither geradezu besoffen von dieser etwas dubiosen Statistik des Ministers. Sie berichtete nicht nur am 9. September, sondern brachte die gleiche Story exakt eine Woche darauf erneut:

 

Und in der Printversion noch mal deutlich zugespitzt:

Hälfte der Illegalen vor Rückführung kriminell
Bis Ende August mussten 8254 Illegale Österreich verlassen — fast die Hälfte von ihnen hatte davor eine Straftat begangen

„Kriminell“ ist hier vor allem die großzügige Aufrundung und wie sehr der Kronen Zeitung schon alles egal ist: Freiwillig Ausgereiste (auf die sich die höchst zweifelhafte Vorstrafenstatistik gar nicht bezieht), europäische und sonstige Straftäter, Asylwerber, ein Achtmonatszeitraum und ein viermonatiger — hier wurde alles in einen Topf geworfen und fleißig umgerührt, um beim Leser den von „Krone“ und Politik gewünschten Eindruck zu erzeugen.

Inzwischen sind wieder sieben Tage vergangen, wir sind schon gespannt auf das überfällige wöchentliche Update.