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Kategorie: OE24/Österreich

„Österreich“ dramatisiert die Zahlen der Kriminalstatistik 2016 maßlos und verbreitet (wieder einmal) Panik.

„Die Kriminalität in Österreich steigt. Ganz extrem sogar bei Gewaltdelikten“ – so  steht es im ersten Absatz des Artikels. Der Anstieg der Gewaltkriminalität von 6,9 Prozent stimmt zwar, doch das Boulevardblatt verschweigt zwei wichtige Punkte:

Erstens ist die Entwicklung der Gewaltkriminalität viel weniger dramatisch als von „Österreich“ behauptet. Oder sieht so ein „ganz extremer“ Anstieg aus?

Zweitens gab es im Jänner 2016 einige Neuerungen im Strafrecht (beispielsweise eine Verschärfung der Gesetze bei sexueller Belästigung), wodurch mehr Anzeigen in der Statistik landen.

Zudem: Wenn für „Österreich“ die 6,9 Prozent Anstieg der Gewaltkriminalität schon „extrem“ ist, warum erwähnt die Redaktion mit keinem Wort den Anstieg der Cyber-Kriminalität? Hier verzeichnet die Statistik immerhin einen Zuwachs von 30,9 Prozent! Womöglich ja deshalb, weil Gewaltkriminalität ganz andere, viel furchterregendere Bilder im Kopf auslöst, als sperrige Begriffe wie „Cyber-Kriminalität“.

 

„Österreich“ schreibt außerdem von einem „Schock: Alle 90 Minuten wird eingebrochen“. Wir haben nachgerechnet. Nicht alle 90, sondern sogar alle 40 Minuten wird eingebrochen. Doch die Zahl der Einbrüche ging vergangenes Jahr deutlich zurück, um 16,4 Prozent. 2016 gab es damit die wenigsten Einbrüche der vergangenen  10 Jahre. Die Boulevardzeitung erwähnt das nur nebenbei, dabei gab es doch letztes Jahr laut „Österreich“ noch das Problem der „explodierenden“ Einbrüche. Wo bleibt denn jetzt der große Artikel zu den implodierenden Einbrüchen?

Die sinkenden KFZ-Diebstähle (-10,0 Prozent) passen scheinbar ebenso nicht in das gewünschte Bild der „Österreich“-Redaktion und werden komplett verschwiegen. Der ganze Artikel gibt einem also das Gefühl, dass man sich in Österreich nicht mehr sicher fühlen kann. Aber: Laut Global Peace Index 2016 ist Österreich auf Platz 3 der sichersten Länder weltweit!

Dass „Österreich“ gerne Panik um steigende (oder in ihren Worten: „explodierende“) Kriminalität verbreitet, wissen wir ja mittlerweile. Daher zur Erinnerung hier die Entwicklung der Gesamtkriminalität:

Glaubt man den Boulevardmedien, ist der österreichische Wintertourismus gleichzeitig in Höhenflug und Krise: Die „Krone“ schreibt über „weniger Wintertouristen“ während „Österreich“ am selben Tag von einem „Winter-Tourismus-Boom“ berichtet.

Tatsächlich verzeichnet der österreichische Wintertourismus laut Tourismusstatistik Österreich (PDF) schalttagbereinigt eine Steigerung von 2,2% der Ankünfte sowie einen Rückgang von 0,4% der Nächtigungen.

Die „Kronen-Zeitung“ stützt sich für ihre Aussage auf die knapp gesunkenen Nächtigungszahlen. Sie sind der Beweis für „weniger Wintertourismus“.

„Österreich“ verwendet die Ankunftszahlen. Der moderate Anstieg der Ankünfte um 2,2% ist hier der Beweis für „Winter-Tourismus boomt wie noch nie“.

Wieder ein Beispiel wie Medien mit der selben Quelle zu völlig unterschiedlicher Berichterstattung kommen.

 

 

Österreich.at, laut Niki Fellner die „spannenste URL des Landes„, glänzt mit Uralt-Sportschlagzeilen wie „Reichelt rast bei Theaux-Sieg auf Platz 2“ und „Salzburg Coach kämpft um Hinteregger“. Alle fünf Geschichten des Ressorts „Österreich-Sport“ auf der Frontpage stammen aus dem Jahr 2015.

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Die beiden Hauptstorys stammen vom 29. Dezember 2015 und auch die anderen drei Geschichten stammen aus dem Dezember des Vorjahres. Die österreichische Sportwelt hat also seit dem Ende des Letzen Jahres kein Update gesehen.

Das Ressort „Wien-Sport“ ist immerhin etwas aktueller, hier stammen die Geschichten immerhin nur aus Mai bis August dieses Jahres.

Heute, Österreich und die Krone berichteten über die gestiegenen Gefahren für AMS-Mitarbeiter, übertreiben dabei maßlos und vergleichen Äpfel mit Birnen. Um 163 Prozent sollen die Angriffe auf AMS Mitarbeiter laut den Boulevardblättern gestiegen sein. 163 Prozent – das klingt nach einem schlimmen Skandal: Nach „Horror-Statistik“ und „Telefon-Terror“.

horrorstatistikTatsächlich sind die Berichte aber kompletter Blödsinn. Das sieht man, wenn man sich die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ansieht, aus der die Zahlen stammen.

Die Übergriffe werden hier in zwei Kategorien geteilt: Jene an der Telefon-Hotline und jene in den Geschäftstellen.

An der Hotline stiegen die verbalen Übergriffe in Wien tatsächlich von 82 auf 450 an – ein Plus von etwa 450 Prozent. Eine Fußnote an dieser Stelle verrät jedoch, dass Wien im Jahr 2015 die Erfassungsmethodik änderte. Und genau deshalb ist es Unfug die Zahlen miteinander zu vergleichen.

163Bis 2014 wurden nur dann Zahlen erhoben wenn ein Mitarbeiter sich bedroht oder persönlich beleidigt fühlte und dies von sich aus meldete. Ab 2015 ordnete das AMS an, über jeden Übergriff Statistik zu führen. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, wirklich jeden Vorfall zu dokumentieren, unabhängig von den persönlichen Empfindungen, wie ein Sprecher des AMS auf Rückfrage erklärt. Dadurch tauchen in der Statistik zwar viel mehr Fälle auf, es lassen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, wie sich der Alltag für die Mitarbeiter im vergangenen Jahr tatsächlich verändert hat.

In der zweiten Kategorie, den Geschäftstellen, sind die Angriffe in Wien um 40 Prozent gestiegen, auf 260 Fälle. Gemeint ist aber nicht nur körperliche Gewalt, sondern etwa auch mündliche und schriftliche Beschimpfungen. Eine Fußnote verrät auch hier, dass 137 dieser schriftlichen Angriffe nur eine Geschäftsstelle betrafen und „zum überwiegenden Teil einer Person zuzuordnen sind.“ Auch dieser Anstieg ist also kaum aussagekräftig. Die Krone und Heute erwähnen diese Person sogar, allerdings nur im direkten Zusammenhang mit den Angriffen, nicht jedoch bei der Interpretation des behaupteten Gesamtanstiegs.

Generell lassen sich von so kleinen Zahlen kaum handfeste Trends ableiten, wie genau solche Beispiele zeigen. Denn wenn eine einzige Person die Statistik derart verfälschen kann, wo bleibt dann die Relevanz?

Österreich wird immer gefährlicher“ titelt die Gratiszeitung „Österreich“ am 7. Mai. Die Kriminalität sei „stark gestiegen“. Dieses Cover ist der vorläufige Höhepunkt einer verantwortungslosen Panikmache, die seit Jahren andauert.

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Um es gleich vorwegzunehmen: Die Kriminalität nimmt leicht ab. Zahlen für 2016 gibt es noch nicht, in den letzten zehn Jahren wurden aber noch nie so wenige Anzeigen erstattet wie im Jahr 2015. Das scheint „Österreich“ allerdings nicht zu interessieren, denn egal was die Statistik sagt: In „Österreich“ wird Österreich immer gefährlicher.

 

Eine Chronologie der Kriminalberichterstattung:

13. Mai

13.5.

„Österreich“ schließt von einzelnen Fällen wie einer Vergewaltigung oder einem Angriff mit einer Eisenstange auf angeblich „explodierende“ Gewalt. Eine Formulierung, die im Gratisblatt sehr beliebt zu sein scheint.

1. Mai

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Die Zahl der schwersten Delikte, so schreibt „Österreich“ wörtlich, „schnellt alarmierend nach oben“. Nun, ganz so alarmierend ist es nicht: Im vergangenen Jahr stiegen sogenannte „Schwerstdelikte“ ganz leicht, sie nahmen um 0,4 Prozent zu  (pdf, S. 56).

29. April

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Massenschlägereien heißen in „Österreich“ prinzipiell Bandenkriege. Diese seien „außer Kontrolle“. Zwischen Tirol und Wien soll ein „täglicher Horror“ spuken. Wieder ist von steigender Kriminalität die Rede.

28. April

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Das Zentrum dieser „Kriege“ ist offenbar Wien, wo die Bürger „in Angst und Schrecken“ leben. Was ein echter Krieg ist, weiß hoffentlich jeder, der in den vergangenen Jahren etwas aus Syrien gehört hat.

20. April

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72 Prozent der Österreicher fürchten sich vor Verbrechen, in den Öffis habe jeder Fünfte Angst. Ob ein Zusammenhang zwischen „Österreich“-Lesern und verängstigten Menschen besteht, wäre allerdings zu untersuchen.

12. April

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Bahnhöfe, Ausgehmeilen oder ganze Stadtteile sind angeblich so gefährlich, dass „Österreich“ seine Leser rechtzeitig davor warnt. Die Leute dort „schlagen, erpressen, morden“. Außerdem werden die Hauptstädter „immer brutaler“ und wieder ist von irgendwelchen „Bandenkriegen“ die Rede.

1. April

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Die Nachrichten werden schlimmer. Nun behauptet das Blatt: „Einbrecher werden immer brutaler“. Wieder nimmt „Österreich“ zwei Einzelfällen und macht daraus einen allgemeinen Trend. Die Zahl der Wohnraumeinbrüche ist übrigens deutlich rückläufig (pdf, S. 56).

18. März

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Pünktlich zur neuen Kriminalstatistik beschwört das Blatt eine gesellschaftliche Katastrophe herauf. Da die Kriminalität in Wien sinkt, pickt sich „Österreich“ einen Wert heraus, der im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist (Gewaltdelikte) und behauptet, er sei „explodiert“. Tatsächlich gab es bei Gewaltdelikten einen Anstieg von sechs (!) Prozent, von 14.996 auf 15.928 Anzeigen.

16. Februar

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Und wieder eine „Explosion“. Damit niemand auf die Idee kommt, sich in den virtuellen Raum zurückzuziehen, erinnert „Österreich“ vorsorglich daran, dass Kriminelle ihr Treiben ins Netz verlagern würden. Tatsächlich stieg die Internet-Kriminalität im letzten Jahr, jedoch war sie in den Jahren 2012 und 2013 bereits höher – von „Explosionen“ sind wir also weit entfernt.

27. Jänner

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Eigentlich ist im Artikel von „Diebstählen, Sachschäden und Körperverletzungen“ die Rede – aber im Titel muss schon das reißerische Wort „Terror“ stehen, damit die Aussage richtig Feuer bekommt.

Diese Artikel sind alle in diesem Jahr erschienen. Die Jahre davor sieht die Berichterstattung aber auch nicht anders aus:

2015 berichtet „Österreich“ über minütliche Verbrechen. 2014explodiert“ der Fahrrad-Klau, 2013 gerät der Praterstern „völlig außer Kontrolle“.

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Auch 2012 „explodieren“ Gewalt, Kriminalität und Internet-Kriminalität.

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2011 liest man von einer „Explosion“ von Handtaschenraub. Interessant dabei: Vor allem montags und donnerstags solle man ganz besonders auf seine Tasche aufpassen. Und da das offenbar nicht angsteinflößend genug ist, zählt „Österreich“ zwei Monate später noch die größten Geiselnahmen der vergangenen zwei Jahrzehnte auf. Wir sagen danke, die hätten wir sonst fast vergessen.

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Schon 2010 pickte das Blatt einen steigenden Wert der Kriminalstatistik heraus und verbreitete mit einem vermeintlichen „dramatischen Anstieg an Mordfällen“ Angst unter seinen Lesern. Dass fast alle anderen Delikte rückläufig waren, wäre ja langweilig zu erwähnen.

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Und erinnern wir uns – so sieht die Kriminalstatistik für die vergangenen zehn Jahre aus:

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Co-Autorin: Gabriele Scherndl

Das Gratisblatt „Österreich“ behauptet, in Klagenfurt würden sich Flüchtlinge gezielt vor Autos werfen, um anschließend Schmerzengeld zu fordern. Das Klagenfurter Bezirksgericht weiß davon aber nichts.
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In dem Artikel vom 21. März ist die Rede von einer „irren Serie“, in der bereits zum vierten Mal ein junger Flüchtling absichtlich vor ein Auto gesprungen sein soll. Die Polizei hat da aber ganz andere Infos: Zwar gab es im März einige Fälle, in denen Menschen vor Autos liefen. Markus Dexl von der Landespolizeidirektion Kärnten sagt dazu aber: „Ein Zusammenhang zwischen diesen Fällen lässt sich nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht herstellen.“

Außerdem weiß man nur in einem Fall sicher, dass es um einen Flüchtling geht. Von den anderen ist die Identität nicht bekannt, sie fallen aber offenbar in die Kategorie des „südländischen Typus“. Da jedenfalls nur von diesem einen Asylwerber die Identität bekannt ist, könnte also auch nur er vor Gericht Schmerzengeld fordern. Beim Bezirksgericht Klagenfurt sind zur Zeit allerdings keine derartigen Klagen anhängig, wie Richterin Martina Löbel auf Nachfrage erklärt.

„Österreich“ schreibt: „Es wird spekuliert, dass die ‚Opfer‘ zu Schmerzengeld kommen möchten.“ „Es wird spekuliert“ ist eine raffinierte Formulierung, denn so vermeidet das Boulevardblatt zu benennen, wer da eigentlich spekuliert. Offenbar nämlich zuerst die Kronen Zeitung in einem Artikel vom 7. März, und jetzt vor allem es selbst. Markus Dexl von der Landespolizeidirektion Kärnten meint dazu: „Seitens der Polizei wurde diese Spekulation nie in den Raum gestellt. Die zuständigen Polizeiinspektionen haben die Anzeigen entgegengenommen und die Ermittlungen, wie gesetzlich vorgesehen, eingeleitet.“

Update: Die Kärntner Kronen Zeitung berichtete als erstes von den Vorfällen und stellte die Spekulationen in den Raum. Vielen Dank an unsere Leser, die uns darauf aufmerksam gemacht haben.

1,82 Milliarden Euro – so viel sollen uns die Flüchtlinge laut „Österreich“ heuer kosten. Klingt nach viel Geld, ist es auch. Allerdings basiert die Zahl auf einer Milchmädchenrechnung, die schlicht nicht aufgeht.

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„Österreich“ vom 12. November

Die Quelle des Boulevardblattes ist das deutsche ifo Institut. Dort erwartet man für Deutschland bei prognostizierten 1,1 Millionen Asylwerbern heuer 21,1 Milliarden Euro Kosten. Und „Österreich“ dachte sich dann einfach: Wenn 1,1 Millionen Asylwerber in Deutschland 21,1 Milliarden Euro Kosten verursachen, dann kosten die 95.000 Asylwerber, die heuer in Österreich erwartet werden, eben 1,82 Milliarden. Die gute Nachricht dabei: „Österreich“ hat den Taschenrechner richtig bedient und eine korrekte Schlussrechnung zustande gebracht, immerhin. Die schlechte: Man kann die Zahlen aus Deutschland nicht einfach so auf Österreich umlegen.

Das bestätigt auf Nachfrage von Kobuk Prof. Gabriel Felbermayr vom ifo Institut. Die Schätzungen der Kosten der Flüchtlingskrise seien naturgemäß sehr ungenau. Eine Umlegung 1:10 für Österreich erhöhe die Ungenauigkeit noch. Weiters erklärt er:

„Die von uns genannten 21. Mrd. beziehen sich auf die Kosten, die die in 2015 erwarteten 1,1 Millionen Flüchtlinge in ihren ersten 12 Monaten in Deutschland verursachen. Es sind nicht die Kosten, die 2015 anfallen.“

Wie viel die Flüchtlinge Österreich heuer tatsächlich kosten werden, lässt sich derzeit nicht genau sagen. In der vorliegenden Budgetmeldung an die EU erwartet das Finanzministerium für 2016 „nur“ Kosten von einer Milliarde Euro – für die Grundversorgung und Integrations- und Arbeitsmarktmaßnahmen, inklusive finanziellem Polster. Also nur etwas mehr als die Hälfte von den angeblichen 1,8 Mrd.. Außerdem rechnet das Ministerium vor, dass 2016 für eine Ganzjahresbetreuung pro Asylwerber 10.724 Euro anfallen werden. Multipliziert man diese Summe mit 95.000, fehlen noch immer über 800 Millionen auf die 1,82 Mrd. Euro von „Österreich“. Doch solch eine Rechnung wäre ohnehin nicht aussagekräftig, da nicht jeder Flüchtling 12 Monate in Österreich betreut wird.

Die Sprecherin des Finanzministeriums Michaela Berger antwortet auf die Frage, ob die 1,82 Mrd. bestätigt werden können:

„Die 1,8 Mrd. Euro kann ich nicht nachvollziehen. Ich weiß nicht welche Summen da addiert wurden.“

Auf ihrer Rechnung bleibt „Österreich“ also sitzen.

 

Artikel

Pünktlich zur neuen Kriminalstatistik beschwört die Tageszeitung „Österreich“ wie gewohnt eine gesellschaftliche Katastrophe herbei. Sie pickt sich den einzigen Wert heraus, der im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist (die Anzahl Einbrüche in Wohnungen) und behauptet, er sei „explodiert“.

Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist laut Statistik zwar tatsächlich um 3,4 Prozent gestiegen, aber mit einer „Explosion“ hat das nichts zutun. „Österreich“ schafft es lediglich durch geschickte Auswahl der Zeit- und Zahlenachse den Eindruck zu erwecken, wir steuern einem kriminellen Untergang entgegen. Stellt man jedoch das „Österreich“-Diagramm einem anderen gegenüber, das auch frühere Jahre mit einbezieht und bei null beginnt, sieht die Welt schon ganz anders aus.

Einbrüche

„Explodieren“ tut da nur die Schlagzeile des Boulevardblattes. Neben dieser täuschenden Darstellung findet man aber noch weitere Fehler.

Salzburg wird zum zweiten Burgenland …

Österreich

… und nicht alle Daten stimmen mit den angegebenen Jahreszahlen überein. „Österreich“ gibt an, dass 2010 10.446 Kraftfahrzeuge gestohlen wurden, jedoch handelt es sich hierbei um den Wert von 2005. 2010 waren es lediglich 4.402.

KFZ

Und ein Zitat des Direktors des Bundeskriminalamts erweckt einen falschen Eindruck. Laut Artikel sagt er: „‚61,4 Prozent der Gewaltdelikte passieren in Beziehungen’“. Nicht erwähnt: Unter „Beziehung“ verstehen die Ermittler so ziemlich jeden Kontakt zwischen Täter und Opfer – also zum Beispiel auch Zufallsbekanntschaften. Pärchen können also durchatmen. „ÖSTERREICH“ würde das auch nicht schaden. Insgesamt ist die Kriminalität nämlich rückläufig – die Zahl der Anzeigen ist auf dem niedrigsten Wert seit zehn Jahren.

„Österreich“ druckt über eine Woche lang unverpixelte Fotos und den vollen Namen eines in Untersuchungshaft befindlichen Imams. Die Zeitung stellt ihn damit öffentlich an den Pranger und pfeift auf seine Persönlichkeitsrechte: Am Titelblatt bezeichnen sie ihn gar als „Hass-Prediger“ und „Gotteskrieger“. Ein Paradebeispiel für eine Vorverurteilung durch Medien.

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Gemeint ist Mirsad O. Der Mann ist „Österreich“ nicht unbekannt. Im April beschuldigten „Österreich“ und „Heute“ Mirsad O., zwei Mädchen radikalisiert zu haben. Der Mann verklagte die Zeitungen wegen dieser Unterstellung und bekam – nicht rechtskräftig – im September recht. In erstaunlicher Offenheit gibt „Österreich“ zu, das Urteil nicht sonderlich ernst zu nehmen. Anders lässt sich diese Kampagne gegen ihn auch kaum erklären.

Seit einer Großrazzia Ende November sitzt Mirsad O. nun in Untersuchungshaft. Was ihm vorgeworfen wird, macht ihn nicht gerade sympathisch: Er soll Terrorkämpfer für den Nahen Osten rekrutiert haben. Bisher gibt es aber weder eine Anklage gegen ihn, geschweige denn ein rechtskräftiges Urteil. Das ist aber eigentlich auch gar nicht so wichtig. presseonlinen Denn auch falls der Mann schuldig ist – auch falls er ein Gotteskrieger und Hass-Prediger ist und rechtskräftig verurteilt wird – dürfen Medien seine Identität nicht preisgeben. So will es das Mediengesetz.

Das hat den Sinn, dass Täter zusätzlich zu einer gerichtlichen Strafe nicht auch noch durch den „Medienpranger“ bestraft werden. Bei manchen Zeitungen scheint dieses Grundprinzip aber nicht angekommen. Außer „Österreich“ nennt auch die „Presse“ (siehe Screenshot rechts) den vollen Namen von Mirsad O., zeigt sein Bild und beschreibt seinen Wohnort. Damit spielen diese Medien nicht nur Richter, auch die Kinder und Verwandten des Verdächtigen können so die Folgen seiner Anklage zu spüren bekommen: Sei es nun durch Mobbing in der Schule, Misstrauen durch Nachbarn oder Angriffe auf der Straße.

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Selbst das Gesicht zu verpixeln und den Nachnamen abzukürzen reicht nicht immer: Die meisten Medien bebildern ihre Artikel mit dem erkennbaren Wohnort von Mirsad O. oder nennen seinen Predigernamen. Das ist ebenfalls kein ausreichender Identitätsschutz, denn durch diesen ist Mirsad O. klar identifizierbar. Das ist, als würde man schreiben: „Thomas N., besser bekannt unter seinem Künstlernamen Conchita Wurst“.

Vielleicht muss man an dieser Stelle noch einmal betonen, dass Gesetze für alle gelten und unseren Rechtsstaat ausmachen. Selbst und gerade für jene Menschen, die vielleicht furchtbare Verbrechen begangen haben. Das Gesetz ist auch dafür da, diese Menschen vor einer Zusatzbestrafung durch die Öffentlichkeit zu schützen.

Bestrafung und die Feststellung von Schuld sind Aufgaben der Gerichte und nicht die einer Zeitungsredaktion.

In einem Artikel vom 12. November schafft es die Tageszeitung „Österreich“, außer einer einzigen alle Zahlen falsch zu zitieren. Nicht 7.490 Babys mehr kamen im September zur Welt, sondern 489. Vorarlberg wird ein Wachstum von 21,9% oder 378 Geburten attestiert, tatsächlich sind es aber 8,8% oder 2.926 Geburten. Genauso wenig stimmen die weiteren Zahlen aus Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und Wien. Siehe Pressemitteilung der Statistik Austria.

Eine Plausibilitätsprüfung zeigt: Die beschriebenen 472 Geburten in Salzburg von Jänner bis September wären außerordentlich wenig für neun ganze Monate. Das wären nur 52 Geburten pro Monat bzw. ca 2 Geburten am Tag. Und das in einem Bundesland mit 535.549 Einwohnern. Tatsächlich waren es 3.923 Geburten. Es dürften Monatsdaten mit Jahresdaten verwechselt worden sein.